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Sport: Ein Hut soll wandern

Der kleine Aufschwung der Eisbären verläuft parallel zum Aufschwung ihrer ersten Sturmreihe.

Berlin - Der Mann war nicht übrig geblieben vom Konzert der Altrocker von Fleetwood Mac, die wenige Tage zuvor in der Arena am Ostbahnhof unterhalten hatten. Aber Julian Talbot hatte am Sonntag den passenden Hut auf. Hippieesk sah der smarte Kanadier aus. Seine dunklen langen Locken quollen unter der grauen Kopfbedeckung hervor und darunter grinste Talbot. Er fand Gefallen am von Trainer Jeff Tomlinson eingeführten Prozedere beim Meister: Nach jedem gewonnenen Spiel bekommt der beste Profi die Wandertrophäe aus Filz. Und beim 3:1 gegen Krefeld war eben Talbot mit zwei Treffern der beste Mann in einer Mannschaft, der in den ersten Saisonwochen in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) wenig gelang. Doch nun hat sie erstmals seit dem DEL-Startwochenende zweimal in Folge gesiegt – und es gibt eine sportliche Erklärung für die kleine erfolgversprechende Serie der Eisbären: Die Angriffsreihe mit Travis Mulock, André Rankel und Talbot.

Binnen zwei Tagen ist der Hut gewandert. Von Mulock, beim 6:3 gegen Ingolstadt am Freitag dreimaliger Torschütze, zu Talbot. Der 28 Jahre alte gelernte Center sagt: „Plötzlich sind wir ein ganz anderes Team.“ Ein Team mit Selbstbewusstsein, das Eishockey arbeitet und sich nicht mehr ergibt: 1:2 lagen die Berliner am Freitag nach dem ersten Drittel gegen Ingolstadt zurück, bevor Trainer Jeff Tomlinson „uns in der Kabine heftig angefahren hat“, sagt Talbot. Jedem sei klar geworden, dass es so nicht weitergehen könne. Er habe auch bemerkt, dass die Fans im Stadion die Geduld verloren hätten. „Das Vertrauen mussten wir zurückgewinnen.“

Die neue erste Reihe der Eisbären musste auch ihr Vertrauen gewinnen. „Es hat gedauert“, sagt Talbot, der zu Saisonbeginn mit Verletzungen zu kämpfen hatte, „aber wir haben uns gefunden.“ Die Statistik spricht klar für das Trio, das wertvoller geworden ist als die angedachte Starreihe um Florian Busch, Barry Tallackson und Darin Olver. Talbot ist bester Scorer seines Teams – vor dem körperlich robustem Rankel und dem läuferisch und gedanklich beweglichen Mulock – und mit seinen breiten Fähigkeiten in allen Spielsituationen ihr wertvollster Spieler. Vom Können her ergänzt sich das Trio bestens.

So schön der Erfolg der ersten Reihe sein mag – er kaschiert, dass dahinter wenig Konstruktives passiert, ein Spieler wie Olver der Mannschaft keine Sicherheit verschafft mit seinem halbherzigen Aktionismus. Und: Es macht die Eisbären ausrechenbar. Verlassen können sie sich auf zu wenig in ihrem Spiel, findet auch Talbot: „Nichts ist momentan einfach für uns, wir müssen weiter hart trainieren und an unseren Schwächen arbeiten.“ Die Abschlussschwäche sei ein großes Problem, auch sollte im Powerplay – trotz zweier Tore gegen Krefeld – vieles besser werden.

Spiele in Iserlohn am Freitag und in Wolfsburg am Sonntag runden das erste Hauptrundendrittel für die auf Rang neun aufgerückten Eisbären vor der Länderspielpause ab. Geht es nach Julian Talbot, dann ist er seinen Hut am Freitag wieder los – dann hätten die Eisbären gewonnen. Talbot behält ihn nur, wenn er im Siegfall bester Spieler wird oder wenn sein Team verliert. Wäre doch aber aus ästhetischen Gründen nicht so schlimm, sollte der Hut nicht wandern? Er steht ihm doch. Julian Talbot lacht: „So schön ist er nicht, aber es geht ja um die Symbolik“. Claus Vetter

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