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Zum Reinbeißen. Die deutsche Mannschaft um Torwart Silvio Heinevetter wusste sich nicht zu helfen. Foto: Reuters

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Sport: Ein Kapitel Horror

Deutschland verliert bei der Handball-EM 24:27 gegen Tschechien.

Nach der Schlusssirene hatte es noch Tumulte gegeben auf dem Spielfeld. Martin Heuberger, der neue Bundestrainer, hatte dem tschechischen Coach Martin Liptak den obligatorischen Handschlag verweigert, weil der zwölf Sekunden vor Ultimo noch eine Auszeit genommen hatte. „Das ist einfach unsportlich, wenn das Spiel gelaufen ist“, zeterte Heuberger. Aber die Szene am Rande wird nicht in Erinnerung bleiben von diesem Auftakt bei der Handball-EM in Serbien. Bleiben wird, dass die deutsche Nationalmannschaft in der Cair-Hall in Nis wahrscheinlich ihre letzte Chance weggeworfen hat, noch ein Ticket für das olympische Handballturnier 2012 in London zu ergattern. Es war ein trostloser Auftritt bei der 24:27 (10:14)-Niederlage gegen den Außenseiter Tschechien. „Der Traum von Olympia ist nicht vorbei“, sagte Heuberger später, es lag Trotz in seiner Stimme. „Wir werden zurückkommen und am Dienstag gegen Mazedonien gewinnen.“ Der letzte Gruppengegner ist am Donnerstag dann der WM-Vierte aus Schweden.

Heuberger wirkte hinterher aber doch fassungslos über das, was er in der ersten Viertelstunde ansehen musste. „Wir waren heiß, wirklich fokussiert vor der Partie“, sagte der 47-Jährige. Aber nach dem 2:2 war die Auswahl des Deutschen Handballbundes förmlich zusammengebrochen. „Wir haben viele Chancen nicht verwertet, und daraufhin war das Selbstbewusstsein, das wir uns vorher so mühsam wieder erarbeitet hatten, auf einen Schlag wieder weg, sagte Heuberger. Beim 3:9 schien das Spiel schon verloren.

Bezeichnend war, dass vor allem diejenigen Profis, die mit ihrer Erfahrung eigentlich die nötige Ruhe ausstrahlen sollten, mit dieser Situation überfordert schienen. Kapitän Pascal Hens (HSV) warf furchtbare Pässe, ihm unterliefen technische Fehler wie im Schülerhandball, und als er einmal durchbrach und frei vor dem gegnerischen Torwart Petr Stochl stand, da schleuderte er das Leder einen halben Meter über die Latte. Auch Holger Glandorf (SG Flensburg), der eine fantastische Hinrunde in der Bundesliga gespielt hat, blieb ein Schatten seiner selbst. Es war ein Desaster, ein Kapitel des Horrors, das diese Mannschaft in Nis schrieb.

Und doch kamen die Deutschen zurück ins Spiel. Als Glandorf nach der Pause zum 11:14 verkürzte, startete eine Aufholjagd, die zeitweise ein Happy End in Aussicht stellte. Doch als sie den Ausgleich erzielen konnten, versagten den deutschen Profis die Nerven. Dominik Klein scheiterte in der bei einem Tempogegenstoß an dem starken Füchse-Torwart Petr Stochl, beim Stand von 16:17. „Vielleicht habe ich da nicht kühlen Kopf bewahrt“, sagte Klein danach sichtlich geknickt, zumal er den gleichen Anspruch wie Hens hat, nämlich in seinem 140. Länderspiel die Mannschaft anzuführen.

Die Tschechen zeigten sich hingegen cool, abgeklärt, mannschaftlich geschlossen. Und dennoch hatte das Heuberger-Team in der 46. Minute erneut die Chance zum Ausgleich, als sie in Überzahl im Angriff waren. Doch nun spielte Lars Kaufmann, der längst Hens ersetzt hatte, diese Überzahl nicht aus, sondern versuchte es im Alleingang und scheiterte.

Von dem Tor aus zehn Metern, das Ausnahmehandballer Filip Jicha (THW Kiel) im Gegenzug erzielte, erholte sich das deutsche Team nicht mehr. Sie brach nun ein zweites Mal ein. Die Krise des deutschen Handball-Nationalmannschaft, die bei der EM 2010 (10. Platz) und bei der WM 2011 in Schweden eingeläutet wurde, und die den Rücktritt von Heiner Brand provozierte, ist offenbar auch durch den neuen Coach Martin Heuberger nicht aufzuhalten.

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