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Sport: Ein Mann für laute Musik

Der Eiskunstlauf-Trainer Karel Fajfr wurde wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt – jetzt ist er wieder im Geschäft

Oberstdorf. Karel Fajfr stößt zwei Grunzlaute aus, die eher gemütlich klingen. Dann zieht er grinsend seine Mütze vor die Augen. Mehr kommt nicht. So war es beim Training. Susanne Stadlmüllers Landung war nicht perfekt, die Knie wackelten. Gestern, als die Eiskunstläuferinnen bei den Deutschen Meisterschaften in Oberstdorf ihr Kurzprogramm zeigte, kam es noch schlimmer: Susanne Stadlmüller verpatzte eine Kombination und einen weiteren Sprung. Der fünfte Platz lässt ihr vor der heutigen Kür so gut wie keine Chance mehr im Titelkampf.

Viele Jahre lang hat Fajfr derartige Fehler etwa so kommentiert: „Fette Sau.“ Oder: „Dumme Kuh.“ Das waren noch die moderatesten Kommentare des Eiskunstlauftrainers Fajfr. Sie sind längst öffentlich, wurden im Gerichtsprozess verlesen, in dem Fajfr 1995 vom Stuttgarter Landgericht wegen Körperverletzung, sexuellen Missbrauchs und Misshandlung von Schutzbefohlenen verurteilt wurde. Das Urteil lautete: zwei Jahre Gefängnis auf Bewährung, 25000 Mark Geldbuße und drei Jahre Berufsverbot. Fajfr hatte eine jugendliche Athletin am Genick gepackt, geschlagen und getreten.

Er galt als mies, widerwärtig, tauchte ab in seinen Beruf als Architekt. Jetzt ist er wieder da. Susanne Stadlmüller aus Stuttgart hat ihn vor drei Wochen engagiert. Fajfr sollte sie zur Deutschen Meisterin machen. Ausgerechnet Fajfr, ausgerechnet der Mann, der die Szene in Verruf gebracht hat.

Aber vielleicht braucht Susanne Stadlmüller genau so einen Menschen. Einen Fajfr, der der „Süddeutschen Zeitung“ sagte: „Ich habe meinen Ruf als Schleifer fleißig unterstützt. Das hat mir die Arbeit ungemein erleichtert.“ Das glaubt auch Michael Huth. „Susanne sucht jemanden mit einer harten Ansprache“, sagt er. „Sie braucht die laute Musik.“ Huth war bis vor drei Wochen der Trainer von Stadlmüller. Mit ihm wurde sie Zwölfte der Europameisterschaft 2001und Vierte der Nebelhorn-Trophy 2001.

Aber mit ihm hatte sie auch sportliche Tiefs. Dann, sagt Huth, „brüllte sie herum. Sie schrie: So eine Scheiße, ich habe keinen Bock mehr. Und dann schlug sie die Schlittschuhe ins Eis.“ Irgendwann brüllte er zurück, „aber wir liefen Gefahr, dass wir uns mehr mit Therapie als mit Sport befassten“. Susanne Stadlmüller sagt: „Die Chemie zwischen uns hat nicht mehr gestimmt. Ich brauche jemanden, der Druck macht.“ Das ist doch nicht alles, meint Huth, „sie will vor allem Aufmerksamkeit. In unserer Trainingsgruppe war sie eine von vielen. Aber sie zieht es dorthin, wo sie die erste Geige spielt.“ Huth hält es sogar für möglich, dass die 18-Jährige ihn verlassen hat, „weil sie dadurch vor der deutschen Meisterschaft in die Schlagzeilen kommt“.

Doch Stadlmüller hat schon früher mal ein halbes Jahr bei Fajfr trainiert, vor dessen Verurteilung. Die 18-Jährige ist ohnehin überzeugt davon, dass die Anschuldigungen „nicht stimmen“. Das erleichtert ihre Arbeit mit dem neuen Trainer. Bis heute ist Fajfr ihr Coach, was dann passiert, ist offen. Bleibt die 18-Jährige bei ihm, dürfte es Probleme geben. Dann wird Fajfr, der Kindesmisshandler, wieder ein Thema. Es dürfte eine neue Diskussion beginnen über seine Vorgeschichte, über Moral, Image und Vorbildfunktion eines Trainers. Im Moment wird dieses Thema ignoriert. „Das ist Sache der Athletin, wir haben freie Trainerwahl“, sagt Angelika Heiße, die Trainerin des Eiskunstläufers Martin Liebers. „Man spricht eigentlich nicht über die Vorgeschichte", sagt Huth. Auch nicht im Verband. Reinhard Mirmseker, der Präsident der Deutschen Eislauf-Union, erklärt, Fajfr sei verurteilt, damit sei der Fall für den Verband erledigt. Außerdem hätte Deutschland nicht so viele gute Trainer.

Im Moment ist Fajfr eher ein sportliches Thema. „Viele Trainer warten gespannt, ob er Erfolg hat“, sagt Huth. „Es gibt viele, die sagen: Wir arbeiten jahrelang, und der kommt und hat vielleicht gleich Erfolg mit einer Läuferin.“ Selbst Huth redet nicht von Moral in Bezug auf Fajfr. Eher beim Thema Stadlmüller. Sie hatte ihm die Trennung nicht selbst mitgeteilt, das musste ihr Vater übernehmen. „Das ist ein Mangel an Persönlichkeit. Wenn jemand stark ist, zeigt er das nach außen“, sagt Huth. Mit der 18-Jährigen hat er seither nicht mehr geredet.

Und wenn die Zusammenarbeit zwischen Stadlmüller und Fajfr nun so plötzlich endet wie sie begonnen hat? Dann, sagt Huth, fällt er aus als Alternative. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich sie wieder zurücknehme."

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