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Sport: Ein mutiges Unentschieden

Hertha geht beim FC Bayern in Führung, doch am Ende reicht es nicht zum ersten Sieg nach 27 Jahren

Es war ein ereignisreicher Monat, jener Oktober 1977. In Mogadischu befreite der Bundesgrenzschutz RAF-Geiseln aus einer Boing der Lufthansa, Otto Graf Lambsdorff trat sein Amt als Bundeswirtschaftsminister an, und Hans Esser war wieder gerade Günter Wallraff gewesen und entsetzte die Republik mit Enthüllungen aus der Redaktion der „Bild“-Zeitung. Man bekommt schnell ein Gefühl dafür, dass der letzte Auswärtssieg von Hertha BSC beim FC Bayern München einige Zeit zurückliegt, beinahe 27 Jahre nämlich, und seit gestern Nachmittag steht fest, dass nun mindestens ein 28. Jahr hinzukommt. 1:1 (0:1) endete das Spiel zwischen dem FC Bayern und Hertha. Marcelinho und Roy Makaay schossen vor 58 000 Zuschauern im Münchner Olympiastadion die Tore.

Wie schon gegen Bochum konnte Hertha einen Vorsprung nicht über die gesamte Spielzeit retten. Doch der Teilerfolg in München ist weit wertvoller als das 2:2 vor einer Woche im heimischen Stadion. „Wir wollten uns hier nicht verstecken und die Bayern pieken“, sagte Herthas Trainer Falko Götz. „Das ist uns in der ersten Halbzeit gut gelungen.“

Götz hatte vor dem Spiel eine mutige Aufstellung mit mutigen Spielern versprochen. Er selbst ging mit gutem Beispiel voran und entschied sich für eine Dreierkette statt der üblichen Vierer-Abwehrreihe. Im Zentrum spielte Dick van Burik, der den erkrankten Oliver Schröder ersetzte. Dafür verstärkte Götz das Mittelfeld. Der 32-jährige Niko Kovac rückte in die Startaufstellung. Die Berliner spielten mit den beiden Brasilianern Marcelinho und Gilberto mutig nach vorn und hatten die ersten Chancen. Erst verzog Stürmer Artur Wichniarek (8.), kurz darauf lenkte Oliver Kahn einen Schuss von Marcelinho zur Ecke. Gegen dessen zweiten Versuch aber war Kahn machtlos. Pal Dardai hatte Marcelinho im Strafraum mit einem Heber angespielt. Der Brasilianer nahm den Ball kurz an und zog ab. Das war die Führung nach 15 Minuten.

Die Bayern wirkten verunsichert. In den ersten 45 Minuten kamen sie nie ins Spiel. Von Kombinationsfußball keine Spur, trotz des spielstärksten Mittelfelds der Liga. Mehmet Scholl, Ze Roberto, Torsten Frings und Michael Ballack standen sich bisweilen auf den Füßen. Roy Makaay bekam im Sturmzentrum nicht ein Anspiel. Einzig Sebastian Deisler versuchte es mit Schüssen aus der Distanz. „Wir hatten überhaupt keinen Rhythmus in unserem Spiel“, sagte Münchens Trainer Felix Magath.

Das Spiel wurde leidenschaftlich geführt. Acht Gelbe Karten (davon sechs gegen Hertha) und eine Gelb-Rote Karte für Andreas Görlitz (86.) hatte Schiedsrichter Kinhöfer gezeigt. Nach einem rüden Foul von Frings an Thorben Marx musste der Berliner mit einer schweren Knöchelprellung ausgewechselt werden.

Beim Rekordmeister gab es im Vergleich zur Vorwoche nur eine Änderung. Für Roque Santa Cruz spielte Mehmet Scholl. Doch weil diese Maßnahme eine Halbzeit lang nutzlos blieb, korrigierte Trainer Felix Magath seinen taktischen Irrtum in der Pause. Santa Cruz kam für Ze Roberto. Nur 60 Sekunden nach Wiederanpfiff zahlte es sich aus. Scholl, der immer besser wurde, bediente Santa Cruz, der legte von der Torauslinie zurück auf Makaay, der nur noch zum 1:1 einzuschieben brauchte. Die Bayern waren wieder im Spiel. Nun waren sie es, die mutig in die Offensive gingen. „Wir haben zu früh den Ausgleich bekommen“, sagte Götz. Danach sei es seiner Mannschaft nicht mehr gelungen, für die nötige Entlastung zu sorgen.

Die Berliner ließen sie sich fortan zu sehr in die eigene Hälfte drängen. Der Mut, selber nach vorn zu spielen, hatte sie verlassen. Plötzlich war der Respekt vor den Bayern wieder da. Sämtliche Herthaner waren mit Abwehraufgaben eingedeckt. „Im Mittelfeld haben wir zu schnell die Bälle verloren“, kritisierte Trainer Götz. Auch die anfänglich starken Marcelinho und Gilberto gingen im zweiten Abschnitt etwas unter. Dass die Bayern kein Tor mehr erzielten, lag an dem meist hastigen und ungenauen Zuspiel. Einen Schuss von Ballack parierte Christian Fiedler gut. „Wir standen ganz gut gestaffelt“, sagte Dieter Hoeneß hinterher. Der Manager der Berliner strich nach dem Unentschieden die positiven Aspekte heraus: „In der Vergangenheit haben wir meist deswegen verloren, weil wir viele Fehler machten. Diesmal aber haben wir kaum welche gemacht.“

Auch wenn es für die Berliner wieder einmal nicht zu einem Sieg beim FC Bayern reichte, „sind wir mit dem einem Punkt belohnt worden“, sagte Trainer Falko Götz. In die Geschichte aber wird Herthas Spiel des Jahres 2004 eher nicht eingehen.

Daniel Pontzen[München]

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