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Sport: Ein schlechtes Pflaster

Haile Gebrselassie gibt beim London-Marathon auf

Von Markus Hesselmann

Der große Sieger von Berlin wirkte wie ein Hobbyläufer, der nicht mehr kann. Haile Gebrselassie beugte sich nach vorn, stützte sich auf einer Bande am Straßenrand ab und verbarg sein Gesicht zwischen den angewinkelten Armen. Vor einem halben Jahr hatte der Äthiopier souverän in Berlin gewonnen, beim London-Marathon stieg der 34-jährige Langlaufstar aus Äthiopien gestern nach gut 30 Kilometern erschöpft aus. „Ich kann nicht atmen“, stammelte Gebrselassie. Den Sieg musste Gebrselassie der afrikanischen Konkurrenz überlassen. Der Kenianer Martin Lel gewann in 2:07:41 Stunden im Sprint vor dem marokkanischen Marathon-Debütanten Abderrahim Goumri.

Erstmals siegte eine Chinesin beim London-Marathon. Chunxiu Zhou hängte die Äthiopierin Gete Wami, im vergangenen Jahr noch Siegerin in Berlin, auf den letzten Kilometern ab. Mit ihrem Erfolg in 2:20:38 Stunden machte die Asien-Meisterin ihren Landsleuten Hoffnung auf einen Marathon-Sieg bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking.

Haile Gebrselassie dagegen machte erneut eine schlechte Erfahrung in London. 2002 hatte der 10 000-Meter-Olympiasieger hier als Dritter debütiert, doch im Vorjahr war er als Mitfavorit nur enttäuschender Neunter geworden. 2006 fand Gebrselassie keinen Halt auf dem nassen Asphalt der britischen Hauptstadt. Diesmal war es trocken und warm. Zu warm? „An der Hitze hat es nicht gelegen“, sagte Gebrselassie, der bemüht war, keine Ausflüchte zu suchen. Ein Fernsehreporter fragte ihn nach einer Verletzung als mögliche Erklärung. „Ich bin nicht verletzt“, sagte Gebrselassie. „Vielleicht habe ich etwas Falsches gegessen. Ich weiß es nicht.“ Haile Gebrselassie lächelte, doch das fiel dem sonst immer fröhlichen Laufstar schwer. Die wenigen Zuschauer, die an diesem kaum populären Punkt der Strecke in der Nähe waren, traten einen Schritt zurück und ließen den Champion im Moment der Demütigung in Ruhe.

Auf der Tower Bridge hatte Gebrselassie noch das Läuferfeld angeführt. Mit ihm war eine Supergruppe der Laufstars unterwegs: Weltrekordler Paul Tergat, Vorjahressieger Felix Limo, dessen Vorgänger Martin Lel (alle drei Kenia) sowie der frühere Weltrekordler Khalid Khannouchi (USA) und der zweimalige Weltmeister Jaouad Gharib (Marokko).

Am Nordufer der Themse, am Tower vorbei, gingen die Läufer auf eine gut 15 Kilometer lange Schleife durch die Docklands. Aus dieser Schleife tauchte Gebrselassie nicht mehr auf. Kurz bevor die Spitzengruppe den Tower ein zweites Mal passierte, drückte ein junger Amerikaner aufs Tempo: Ryan Hall, 24, er sieht aus wie ein kalifornischer Surfer. Fast ungläubig blickten Lel, Limo und Tergat auf den großen blonden Marathon-Debütanten in ihrer Mitte. Da waren schon mehr als 35 Kilometer gelaufen. Die afrikanischen Favoriten verschärften jetzt das Tempo, und Ryan Hall fiel zurück. Allerdings hatte auch Altstar Paul Tergat, der 2003 in Berlin in 2:04:55 Stunden den immer noch gültigen Weltrekord gelaufen war, inzwischen Probleme zu folgen.

Auf Höhe des Big Ben, gut anderthalb Kilometer vor dem Ziel kämpften immer noch sechs Läufer um den Sieg. Kurz vor dem Ziel dann zog Martin Lel an. Nur Goumri konnte einigermaßen folgen. Hinter dem Sieger aus Kenia wurde der marokkanische Debütant nach 42,195 Kilometern überraschend Zweiter.

Haile Gebreselassie hatte da längst schon seine Laufschuhe ausgezogen.

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