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Sport: Ein Schurke und elf Läufer

Mexiko muss gegen Portugal unbedingt punkten

Seine maximale Verweildauer während eines Spiel auf der Trainerbank beträgt drei Minuten. Meistens schleicht Ricardo La Volpe durch seine abgesteckte Rasenzone und gibt den mexikanischen Spielern Anweisungen. Fast jede ihrer Aktion wird begleitet von einer Geste. Entweder winkt er mit ausholender Bewegung und hält dabei den rechten Arm über den Kopf gestreckt oder er fuchtelt mit beiden Händen und spitzen Fingern wie ein Scheibenwischer vor seinen Augen entlang. Er kann seinen Körper auch erstaunlich weit zurücklehnen, so dass man Angst bekommt, er falle nach hinten um. La Volpe lebt das Spiel mit, er will ja auch die maximale Verweildauer seines Teams im Turnier erreichen.

Die Grundvoraussetzung dafür ist ein weiterer Punkt im letzten Gruppenspiel gegen Portugal, das nach zwei Siegen bereits qualifiziert ist. Sollte Mexiko verlieren und Angola Iran schlagen, droht Mexiko sogar das vorzeitige Aus in der Vorrunde.

Selbstverständlich denkt daran niemand in den Reihen der Mittelamerikaner, sie sind selbstbewusst und glauben, dass sie trotz des 0:0 gegen Angola „bisher nicht viel falsch gemacht“ haben, wie es Kapitän Rafael Marquez sieht. Auch La Volpe hat zum Ärger der mexikanischen Journalisten so getan, als wäre die Tatsache, dass im Angola-Spiel kein Tor gelang, nur eine lässliche Ausnahme gewesen. Golpe sah „nur ein Team auf dem Platz, und das waren wir“. Es gebe eben Tage, an denen der Ball einfach nicht ins Tor wolle.

Man kann das auch anders sehen. Interpretiert man die bisherigen Auftritte Mexikos nicht so gönnerhaft wie La Volpe, liegt der Schluss nahe: Mexiko hat Probleme im Spielaufbau und in der Chancenverwertung. Vor allem gegen defensive und dicht gestaffelt stehende Mannschaften fehlt es dem Mittelfeld an Präzision. Das liegt daran, dass das Spiel Mexikos fast über die gesamte Spielzeit in einem Tempo abläuft. Kaum einmal sieht man einen Tempowechsel. Meist wird der Ball von einem Spieler schnell nach vorne getrieben, doch das Passspiel wird dann schnell ungenau.

In der Rückwärtsbewegung sind die Mexikaner perfekt, kaum ein Team bei dieser Weltmeisterschaft schafft es so schnell von Angriff zurück auf Abwehr umzuschalten. Kommt der Gegner, doppeln die Mexikaner den Angreifer nicht, sondern umzingeln ihn sogar mit drei, vier Spielern. Je offensiver der Gegner spielt, desto besser werden die Mexikaner mit ihm zurechtkommen. Dann zerstören sie emsig und diszipliniert dessen Spielaufbau und kontern ihn aus. Das Laufpensum der Mexikaner ist enorm, aber es könnte effizienter eingesetzt werden. La Volpe, der in jedem Krimi für die Rolle des grimmigen Schurken die optimale Besetzung wäre, wird im eigenen Land von der Presse immer wieder für seine Einfallslosigkeit im Spielaufbau kritisiert. In diesen Tagen kontert der gebürtige Argentinier heimische Fragesteller deshalb mit betonter Arroganz. Die Antwort La Volpes auf die Frage, ob er keine Lust hatte, gegen Angola auf Sieg zu spielen, war allerdings genial: „Wir hatten am Ende vier Stürmer auf dem Platz, Argentinien hat mit zwei Stürmern und viel Taktik sechs Tore geschossen.“

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