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Sport: Ein Sieg des Willens

Der Russe Alexander Povetkin schlägt Eddie Chambers und darf nun den Weltmeister herausfordern

Berlin - Die Augen von Alexander Povetkin waren geschlossen. Aber er schlief nicht, er döste nicht einmal. Er hatte nur einen Zwölf-Runden-Boxkampf hinter sich und beide Augen waren zu Schlitzen geschwollen. Da saß er nun, der Gewinner, der Sieger, der im nächsten Kampf Schwergewichtsweltmeister werden kann, und er senkte den Kopf. Klar, er war groggy, vor allem aber senkte er seinen Kopf, weil er sich schämte. So zugerichtet hat ihn noch niemand gesehen. Nun aber ist ihm dieser Eddie Chambers dazwischengekommen. Diesen aufmüpfigen US-Amerikaner konnte Povetkin Samstagnacht in Berlin zwar deutlich nach Punkten bezwingen, aber die Andenken aus dem Kampf wird er noch ein Weilchen im Gesicht mit sich tragen.

„Es war sehr, sehr schwer“, murmelte der 28 Jahre alte Povetkin im zugigen Foyer des Tempodroms. Zuvor hatten 3000 Besucher den Schwergewichtler aus dem Berliner Boxstall von Manager Wilfried Sauerland angefeuert. Lediglich der Clan seines Gegners aus Philadelphia versuchte mit lautem Gebrüll und Kindergeschrei dagegenzuhalten. „Es tut mir Leid für meine Lieben“, stammelte Eddie Chambers: „Ich habe alles versucht, aber ich konnte nicht mithalten.“ Das ist eine durchaus treffende Umschreibung dessen, was sich ab der vierten Runde abspielte. „Ich hatte einen anderen Kampf, einen anderen Chambers erwartet“, sagte Povetkin. Der Mann aus der Nähe von Moskau hatte seinen Gegner auf schnellen Beinen erwartet, er hatte erwartet, dass sich sein Kontrahent immer wieder entziehen würde. Dann aber überraschte der etwas kleinere, aber gewiefte Chambers als eine Art Stehgeiger im Ring. Spartanisch in seinen Bewegungen hatte er schnell eine eklatante Schwäche beim favorisierten Olympiasieger ausgemacht. Immer wenn dieser seine Linke geschlagen hatte, ließ er sie beim Zurücknehmen etwas fallen. Eine Fahrlässigkeit, die im Schwergewicht fatale Folgen haben kann. Chambers schlug seine rechte gerade über die hängende Linke Povetkins an dessen freie Gesichtshälfte, weswegen in der zweiten Runde unter dem linken Auge ein mächtiges Veilchen wuchs. „Ich war in den ersten Runden etwas verloren“, sagte Povetkin. „Ich musste ein paar Schläge nehmen und habe kein gutes Boxen geboten.“

Von der vierten Runde an aber übernahm der Russe das Kommando. Mit einem Vielfachen von dem, was Chambers schlug, erstickte er seinen Kontrahenten förmlich. Povetkin spürte, dass es nur über den Willen ging in dieser Nacht. Und so fightete er drauflos. „Alexander ist ein unglaublich hohes Tempo gegangen, dabei hatten wir vor zehn Tagen noch überlegt, den Kampf zu verschieben“, sagte Sauerland. Povetkins Grippe habe mit Antibiotika behandelt werden müssen. Sauerland: „Das war alles andere als eine optimale Vorbereitung.“ In der Tat war Povetkins Leistung ein Sieg des Willens. „Das war heute der Schlüssel“, sagte Chambers’ Vater und Trainer. „Bei meinem Jungen hat sich nach der dritten Runde etwas verändert.“

Alexander Povetkin hat nun das Recht, den IBF-Weltmeister herauszufordern. Noch ist das Wladimir Klitschko. Der Ukrainer boxt am 23. Februar in New York gegen den russischen Weltmeister der WBO, Sultan Ibragimow. „Wladimir ist für mich der Favorit. Und dann hoffe ich, dass der Kampf gegen Alexander im Sommer zustande kommt“, sagte Sauerland. Povetkin lauschte den Worten seines Managers mit gesenktem Haupt. „Ich muss besser werden“, sagt er, und es sah so aus, als zwinkerte er.

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