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Sport: Ein Sieg gegen die Tradition

Die Hamburg Freezers verhelfen der Deutschen Eishockey-Liga zu einem ungeahnten Boom

Hamburg. In den scheinbar endlos großen Gängen der Color Line Arena ist Hektik angesagt. Ein verantwortlicher Herr der Riesenhalle am Hamburger Volkspark ist irritiert. In ein paar Minuten spielen die Freezers, trotzdem sind noch 150 Tickets zu haben. Ein skandalöser Vorgang, irgendetwas muss schief gelaufen sein. Schließlich ist am Dienstag der Tabellenführer der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) EHC Eisbären zu Gast. Der Mitarbeiter fragt noch mal in die Runde: „Nicht ausverkauft? Ein Unding!“ Gemessen an den Maßstäben, die inzwischen in Hamburg beim Eishockey gelten, ist es das. Ob nun Tabellenführer oder nicht - voll ist es bei den Freezers immer, seit im November die Color Line Arena eröffnet wurde.

Vor ein paar Tagen haben sie in Hamburg 400 Fans der Iserlohn Roosters in das Skylight Cafe – eine Gaststätte in einer Tribünenkurve der Halle – gestopft. Alle 13 000 Karten waren weg, als der Fantross aus dem Sauerland eintraf. Platznot macht geizig. Bei den Schreibtischen für die Journalisten wird gespart. „Sonst würden wir ja eine Reihe Sitzplätze vernichten“, sagt ein Mitarbeiter der Arena. Die Halle ist also zu klein für die Freezers. Ein schönes Problem für den Klub, dem noch vor wenigen Monaten kaum jemand eine prosperierende Zukunft voraussagte. Es gab Gezeter, als Klubeigner Philip Anschutz aus Denver anordnete, aus den München Barons die Hamburg Freezers zu machen. Amerikanisches Geschäftsdenken und deutscher Sport, das vertrage sich nicht, nörgelten Traditionalisten – und lagen daneben. Vielleicht deshalb, weil die Freezers keine Anhänger haben, die sich mit dem Prädikat jahrelanger Vereinstreue adeln, darauf verweisen können, dass irgendwas mal besser war. In Hannover etwa verhindern Grabenkämpfe, dass die neue Halle voll wird. Die Fans des Viertligisten Hannover Indians frieren lieber in ihrer Eishockey-Bruchbude am Pferdeturm, als in die Preussag-Arena zum DEL-Verein Scorpions zu gehen.

In Hamburg haben sie das Problem nicht, Eishockey funktioniert. Beim Handball wird es dagegen nur bei Derbys wie gegen den THW Kiel richtig voll in der Color Line Arena. Was weniger an der Sportart als daran liegen mag, dass sich ein Team wie Handball-Bundesligist VfL Pfullingen für den Hamburger erst beim Blick in den Atlas geographisch zuordnen lässt, während die DEL-Klubs fast nur aus Großstädten kommen. Die Freezers haben der Liga einen Schub verpasst. DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke freut sich darüber, „dass dank Hamburg in fast nur noch positiv über Eishockey berichtet wird“.

Sean Simpson, Trainer der Freezers, kann sich den Andrang in Hamburg kaum erklären. In München, da hatte Simpson mit dem Vorgängerklub Barons selten vor mehr als 3000 Zuschauern gespielt. „Unsere Halle ist so gut wie in der NHL – und die Stimmung ist noch besser“, sagt der Kanadier. Es ist ein Erlebnis, wenn 13 000 Zuschauer sich von den blauen Sitzen erheben und „Freezers“ skandieren. Und doch ist Hamburg noch nicht die Eishockey-Hauptstadt. In Köln schauen mehr zu als bei den Freezers. Natürlich hatten die Fachleute keinen Erklärungsnotstand, als die Haie in die Kölnarena einzogen und mehr Fans als je zuvor kamen. Der Klub hat Geschichte, das musste ja klappen. Von wegen, Tradition ist ein Argument, dass in Hamburg widerlegt wird. Seit es die Freezers gibt, ist eben alles anders im deutschen Eishockey – vor allem größer und schöner.

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