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Eine Spur zu hart. Selbst Timo Boll musste im Halbfinale staunen, mit welcher Wucht und Präzision sein chinesischer Gegner ihm die Bälle um die Ohren haute. Foto: AFP

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Sport: Ein starker Trost

Timo Boll hat im Halbfinale keine Chance, holt aber die erste Einzelmedaille bei einer Tischtennis-WM

Es nannte sich Halbfinale einer Weltmeisterschaft, doch im Grunde war Timo Boll Gast einer Premierenfeier. Was auf ihn reihenweise zugeflogen kam, das hatte Boll so noch nicht erlebt beim Tischtennis. Es waren böse Überraschungen, rasend schnelle Bälle mit einem besonders tückischen Drall. „Dieses Niveau kenne ich aus dem Training nicht“, sagte Boll, „da konnte ich nur noch staunen.“ Auf der anderen Seite des Tisches stand der Chinese Zhang Jike und feuerte fehlerlos seine Topspins ab. Beide hatten zum ersten Mal das Einzel-Halbfinale einer WM erreicht, der 23 Jahre alte Weltranglistendritte Zhang und der 30 Jahre alte Zweite Boll. Zhang machte mehr daraus und besiegte Boll in Rotterdam 4:1. Doch diese WM hielt einiges an Trost für Boll bereit.

Zum einen kann er sich sagen, gegen den besten Spieler der Welt verloren zu haben. Im Finale entthronte Zhang Jike Titelverteidiger Wang Hao 4:2 und zerriss danach – ganz unchinesisch – sein Trikot. Zum anderen hat Timo Boll in Rotterdam als einziger Nicht-Chinese einen Chinesen besiegt, im Viertelfinale Chen Qi. Bolls Belohnung dafür war seine erste Einzelmedaille bei einer WM, die erste für Deutschland seit 42 Jahren. Und weil Boll sich während des Turniers nach Meinung der Schiedsrichter am fairsten verhalten hatte, bekam er noch einen Extrapreis, den Richard-Bergmann-Fairplay-Award.

7000 Zuschauer waren am Sonntag in die Arena gekommen, 1000 weniger als am Tag zuvor, vielleicht hatten viele gar nicht mehr damit gerechnet, etwas anderes geboten zu bekommen als China gegen China. Aus dem Publikum kam jedoch nicht lautstarke Anfeuerung für Boll, die Tribünen waren rot gesprenkelt mit zahlreichen chinesischen Fahnen.

Boll wollte sich mit der Bronzemedaille nicht zufrieden geben in diesem Halbfinale, das zeigte er im ersten Satz, den er 11:7 für sich entschied. „Man muss bei den Chinesen gleich Selbstzweifel streuen“, sagte Boll. Bei Zhang Jike blieben sie aus. Von Beginn des zweiten Satzes spielte er auf einem Niveau, das selbst bei einer Weltmeisterschaft herausragt. „Die Maschinerie ist ins Rollen gekommen“, sagte Boll hinterher, und es schien tatsächlich kaum menschenmöglich zu sein, was Zhang Jike mit dem Ball anstellte. Er gilt als der athletischste unter den ohnehin so athletischen Chinesen. Und seine Einstellung hat ihm in China den Spitznamen „Kampfhund“ eingebracht. Boll dagegen hatte sich selbst am Tag zuvor „Terrier“ genannt, weil er sich festgebissen hatte im Spiel gegen Chen Qi und erst locker ließ, als sein 4:1-Sieg feststand. Auch dieser Vergleich sagt, wer der Stärkere war.

Ein typischer Ballwechsel sah so aus: Zhang Jike spielt mit Vorhand und Rückhand mehrere feste Topspins hintereinander, Boll hält dagegen, umläuft seine Rückhand, um seine bessere Seite, die Vorhand, einzusetzen, aber er trifft nicht. „Er musste dieses Risiko gehen und die Rückhand umlaufen“, sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf. Zhangs extreme Schlagwinkel verblüfften immer wieder.

Aber auch nach der Niederlage lächelte Boll schnell wieder. „Schon in ein paar Stunden wird die Freude überwiegen“, sagte er. „Ich habe in den letzten Wochen streng Diät gehalten. Ich glaube, jetzt ist es Zeit für eine Pizza und ein Schöppchen.“

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