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Sport: Ein Stückchen weiter

Aber die Raumdeckung liegt den deutschen Fußballerinnen vor der EM in England noch nicht

Berlin - Natürlich hatten Bundestrainerin Tina Theune-Meyer und ihre Assistentin Silvia Neid das permanente Verschieben mit ihren Spielerinnen vorher geübt. Und das Ganze klappte bei der Premiere des Systems im Länderspiel gegen England dann auch ganz gut – eine Halbzeit lang. Zur Pause führten die deutschen Fußballerinnen 4:0, brachen dann allerdings konditionell ein und retteten schließlich einen 6:5-Erfolg über die Ziellinie. Silvia Neid lacht, wenn sie heute daran denkt: „Tja, wenn du so etwas spielst, musst du eben fit sein“, sagt die künftige Bundestrainerin.

Die Fitness der Nationalspielerinnen hat sich seit 1997 verbessert, ihre Nöte mit der Raumdeckung haben die Trainerinnen aber nach wie vor. Weil sie bei den meisten Bundesligaklubs kein Thema ist. „Duisburgs spielt ganz klar unser System“, sagt Silvia Neid. Und wer noch? „Bad Neuenahr auch.“ Von den deutschen Top-Klubs 1. FFC Frankfurt und Turbine Potsdam, die bei der am Sonntag beginnenden Europameisterschaft in England immerhin zwei Drittel des Kaders stellen, spricht sie in diesem Zusammenhang nicht. Silvia Neid beschränkt sich auf Kritik ohne Namensnennung. „Es gibt manche bei uns, die Raumdeckung einfach nicht gewohnt sind. Da müssen wir schon ein, zwei Sondereinheiten einlegen.“ So wie jetzt bei der Vorbereitung auf die Europameisterschaft.

Die zuständigen Trainer geloben Besserung. Zum Beispiel Hans-Jürgen Tritschoks, Trainer des Deutschen Meisters 1. FFC Frankfurt. „Potsdam spielt mehr in Gegnerdeckung“, weiß er und sagt über das Spiel des eigenen Teams, etwa beim 0:3 gegen Potsdam im Pokalfinale vor einer Woche: „Wir wollten mehr Raumdeckung spielen.“ Was misslang. „Wir versuchen, daran zu arbeiten“, erklärt er vorsichtig. „Und um ehrlich zu sein: Da bedarf es noch sehr viel Arbeit.“

Immerhin kommen die Fußballerinnen inzwischen in die Verlegenheit, mit derartigen Systemfragen überhaupt konfrontiert zu werden. Bis 1970 hatte ihnen ihr Verband das Fußballspielen schlichtweg untersagt, und auch nach Aufhebung des Verbots gab es für Frauen zunächst nur die Version Fußball light: Mit den kleineren Jugendbällen an und ohne Stollen unter den Fußballstiefeln, Handspiel wurde meistens höflich übersehen. Und selbst für volljährige Spielerinnen galt: 90 Minuten für ein Spiel sind zu lang, 60 Minuten mussten reichen. Dazu gibt es die entsprechenden Anekdoten aus den Anfangsjahren des Frauenfußballs: Als etwa in den frühen 1970er-Jahren ein Kreisvorsitzender die Gewinnerinnen einer regionalen Partie fragte: In welcher Liga wollt ihr im nächsten Jahr spielen? Die Antwort: In der höchsten. Oder die Erlebnisse von Frankfurts Ex-Trainerin Monika Staab bei den Queens Park Rangers in London. Trainiert haben sie und die Kolleginnen damals nicht auf einem Trainingsplatz, sondern im Park zwischen den Bäumen. Und bei der Geschichte vom Kaffee- und Tafelservice, das der DFB den Frauen 1989 zum EM-Titel spendierte, bekommen die Fußballerinnen inzwischen Schweißausbrüche.

Zumal das 4:1 im EM-Finale gegen Norwegen neben dem WM-Sieg 2003 als das Highlight im nationalen Frauenfußball gilt. „Ein absoluter Schub“ sei die Begegnung vor den 23 000 begeisterten Zuschauern in Osnabrück gewesen, sagt Silvia Neid. „Und alle drei, vier Jahre sind wir wieder ein Stückchen weitergekommen.“ Den vergleichsweise noch immer bescheidenen Lohn dafür gibt es ab und an, zuletzt beim Fototermin vor der EM. „Früher haben wir darum gebeten, dass jemand kommt“, erzählt Silvia Neid. „Jetzt waren 25 Fotografen da.“

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