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Sport: Ein Talent als Star

Die 19 Jahre junge Magdalena Neuner gewinnt bei der Biathlon-WM in Antholz ihr zweites Gold

Kein Winken, kein unbändiger Jubel. Vielleicht war Magdalena Neuner müde, vielleicht fassungslos, vielleicht wollte sie einfach nur ein, zwei Minuten ihren Triumph still genießen. Dass etwas Besonderes passiert war, war hingegen Kati Wilhelm anzusehen, die als Neunte ins Ziel kam und ihre junge Teamkollegin anstrahlte. Wieder hatte Neuner ein Debakel der deutschen Frauen bei der Biathlon-Weltmeisterschaft in Antholz verhindert, indem sie Gold im Verfolgungswettkampf über zehn Kilometer holte. „Ich freue mich tierisch“, sagte Magdalena Neuner später. „Ein Start-Ziel-Sieg ist geil, das ist Wahnsinn.“ Die 19 Jahre alte Biathletin darf sich seit dem Wochenende Doppelweltmeisterin nennen.

Allerdings wurde es nach dem letzten Stehendschießen noch einmal eng für sie. Zwei Strafrunden musste Magdalena Neuner laufen, 300 zusätzliche Meter. Von der Strafrunde aus sah Magdalena Neuner auf die riesige Anzeigentafel und wusste: Auch ihre schärfste Konkurrentin, die 33 Jahre alte Schwedin Anna Carin Olofsson, hatte zwei Schüsse daneben gesetzt. Weiterhin lag sie mit 8,8 Sekunden vorne, doch nun jagte plötzlich auch noch Linda Grubben die beiden Führenden. Die Norwegerin hatte insgesamt nur einmal danebengeschossen.

Die drei Frauen verschwanden aus dem Stadion, nur noch auf der Videoleinwand konnten die Fans das dramatische Finish verfolgen. Als Neuner endlich wieder im Stadion auftauchte, lag sie immer noch vorne. Die Zuschauer brüllten, ein Meer deutscher Fahnen wehte sie vorwärts. Kurz vor der Ziellinie hob Neuner kurz ihren Stock, dann glitt sie fast geruhsam ins Ziel und strahlte. Während Grubben, die im Schlussspurt noch Zweite wurde, sich erschöpft in den Schnee warf, blieb Neuner auf ihre Stöcke gestützt stehen.

2005 bei der letzten Weltmeisterschaft hatte Uschi Disl die ersten beiden Rennen gewonnen. Doch Disl war 34 Jahre alt, für sie waren es am Ende einer großen Karriere die ersten WM-Einzeltitel. Neuner hingegen hat vor fünf Wochen in Oberhof das erste Weltcuprennen ihres Lebens gewonnen. In Ruhpolding folgten Probleme am Schießstand, danach arbeitete sie noch am Stehendanschlag. Für Bundestrainer Uwe Müssiggang war der „sensationelle Sieg“ gestern nicht mit jugendlicher Unbekümmertheit zu erklären. „Nur damit kommt man nicht weiter, da steckt viel Arbeit dahinter“, sagte er. „Heute musste Magdalena über ihre Grenzen gehen. Dieser Erfolg war nicht zu erwarten, die zwei hinter ihr sind schließlich starke Schützinnen.“

Zwei Tage und zwei Rennen haben aus dem Talent den Star der Titelkämpfe gemacht. Die emotionalen Stunden von Südtirol haben im deutschen Team Spuren hinterlassen. Als Magdalena Neuner am Sonnabend erstmals als Sprint-Weltmeisterin geehrt wurde, vergossen Martina Glagow und Andrea Henkel Tränen. Stefan Schwarzbach, der deutsche Teamsprecher, wollte sie nach einem für sie enttäuschenden Wettkampf trösten, doch beide wehrten ab. „Es ist wegen Lena“, sagten sie gerührt und zogen schnell ihre Sonnenbrillen nach unten. Abends wurde für Neuner auf der Medal Plaza in Antholz die deutsche Nationalhymne gespielt, gegen halb zwölf lag sie im Bett. Geschlafen habe sie gut, sagte sie. Die aufregendsten Stunden ihres Lebens hatten sie nicht wachgehalten.

Magdalena Neuner wirkt erstaunlich abgeklärt. „Sie ist im Kopf sehr weit“, sagt Müssiggang, „deshalb habe ich auch keine Angst, dass sie abhebt.“ Die Weltmeisterin aus der Nähe von Mittenwald gestand gestern freilich: „Ich muss erst zur Ruhe kommen, um zu begreifen, was los ist.“ Dazu hat sie jetzt ein paar Tage Zeit: Am Mittwoch über 15 Kilometer wird sie pausieren.

Helen Ruwald[Antholz]

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