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Abgang. Michael Bemben fliegt in seinem letzten Spiel für Union bei 1860 München vom Platz. Die Zukunft des Routiniers ist unklar - doch auch sein künftiger Ex-Verein steht vor neuen Herausforderungen.

© dpa

Ein Union-Fan zieht Bilanz: Erst Glanz, dann Bangen - und nun Hertha

Die Saison begann gut und endete leidlich für den 1. FC Union. Welche Lehren muss der Verein jetzt ziehen? Und welche Chancen haben die Eisernen aus Köpenick nächste Saison gegen Hertha? Unser Autor Lothar Heinke schreibt darüber aus der Sicht des treuen Fans.

Ende gut, alles gut? Die meisten setzen ein Ausrufezeichen dahinter, ich möchte das zum Saisonende mal mit einem kleinen Fragezeichen versehen. Natürlich hat sich der 1. FC Union in der Zweiten Bundesliga mit seinem 12. Platz wacker geschlagen. Die Jungs haben ihr Ziel Nichtabstieg erreicht, weil sie den Schwung, mit dem sie vor einem Jahr Meister der 3. Liga geworden waren, in der ersten Hälfte der Hinrunde gewissermaßen konserviert hatten. Die ersten sieben Spieltage standen sie dreimal an erster und viermal an zweiter Stelle. Es war ein Super-Sommer. Eine Zeitung rief um der eigenen fetten Schlagzeilen willen sogar das "Unternehmen Durchmarsch" aus. Quatsch mit Soße: Das dicke Ende kam zum Schluss.

Da mussten kühle Rechner sogar noch ein wenig bangen, ob wir nicht noch weiter abrutschen, hinein in die gefährdete Zone. Die Helden waren müde geworden, bei der Konkurrenz hatten sich die Stärken der Unioner längst herumgesprochen. Nur bei Standards vor dem gegnerischen Tor schrillten weiter die Alarmglocken, wenn Torsten "Tusche" Mattuschka zum Freistoß schritt. Leider war Unions Sturm nurmehr ein laues Lüftchen, „Chancentod“ murmelten die Leute, wenn "Moskito" Mosquera wieder einmal stocherte, aber nicht stach. Die zweite Halbserie war nicht toll, in der Auswärtstabelle landete die Mannschaft auf dem 16. Platz. Die Mitaufsteiger Fortuna Düsseldorf und SC Paderborn, die Union noch vor einem Jahr locker hinter sich gelassen hatte, zeigen heuer Union die Hacken, und auch mit dieser albernen "Ostmeisterschaft" wollte es nicht klappen – Nachbar Cottbus hat uns mit seiner hungrigen Jugendtruppe beim 4:2 im "Stadion der Freundschaft" richtig geärgert.

Aber welch ein Zauber wohnt bei Union auch einem dürftigen Ende inne! Trotz der blamablen Niederlage in Cottbus (oder nun gerade deswegen) standen ein paar Tausend Union-Fans wie ein Mann vor ihren Jungs, feierten die elf, die gerade noch "wie die Bockwürste" (Mattuschka) gespielt hatten, als große Verlierer. Die Jungs mussten nach dem letzten Akt aus der Kabine kommen, und sie verneigten sich wie die Schauspieler vor einem Publikum, das ihnen immer alles verzeiht. Wohl dem, der solche Freunde hat. Da lohnt sich auch der Trip im Sonderzug nach Kaiserslautern, wenn die Mannschaft nach dem versöhnlichen 1:1 mit den Fans auf Schienen zurück nach Berlin rollt, während eine Woche später die St. Paulianer und die Unioner mit Schiffen auf der Spree die Köpenicker Gefilde ansteuerten, um ein 2:1 der Berliner zu feiern.

Ein Klub, der in seinem Viertel verwurzelt ist

19.000 in Party-Stimmung in der neuen Alten Försterei, die ihre erste Saison mit Glanz und Gloria bestanden hat und über die der Chef von "11 Freunde", Philipp Köster, im Programmheft des letzten Heimspiels schreibt: "1. FC Union Berlin, prima Verein. Weil An der Alten Försterei vieles so gemacht wird, wie man sich das als Fan so vorstellt. Kein Verkauf des Stadionnamens, Bier mit Spaß, Stehplätze auf der Gegengeraden und vor allem eine Anhängerschaft, die den Stadionbesuch nicht davon abhängig macht, ob die Mannschaft gerade um den Aufstieg mitspielt. Die Engländer nennen so was einen "People’s Club", einen Klub, der in seiner Stadt, seinem Viertel verwurzelt ist".

Deshalb wird uns auch nicht der Lockruf des Geldes ins Olympiastadion lotsen. Damals, beim Stadion der Weltjugend, haben sie auch von "mehr Zuschauer rein" und "besseren Sicherheitsmöglichkeiten" gesprochen, im neuen Deutschland muss Union nicht nach einer Parteipfeife tanzen. Da sind 19.000 Karten praktisch schon verkauft, ehe man überhaupt weiß, wann Hertha kommt. Das ist ja überhaupt der lokale Knaller der kommenden Saison, die leider erst Mitte August beginnt. Ein Wiedervereinigungsspiel wie am 27. Januar 1990 vor 50.000 Zuschauern (das Hertha 2:1 gewann) wird es nie wieder geben, kein Friede, Freude, Eierkuchen – dafür sind die Klubs und die Fans zu verschieden. Aber spannend ist es schon, auf beiden Seiten.

Sind wir Hellseher? Wer weiß denn, was von der heutigen Hertha noch übrig bleibt? Wer geht, wer kommt? Wie sie mit ihrer Arroganz als Nr. 1 der Hauptstadt künftig umgeht? Und wie Union dagegen hält mit seinem vergleichsweise bescheidenen Etat. Neue Spieler braucht die Alte Försterei und eine neue Jobeinstellung mit einem größeren spielerischen Element. Vor allem agile Stürmer, Durchreißer vom Schlage eines Daniel Teixeira. Oder so einen Kämpfer wie olle Steffen "Baume" Baumgart. Und Gebbis, neue Marco Gebhardts, und Schulle, Daniel Schulz, Unioner von Geburt an, bedächtiger Kapitän – warum lässt man den so einfach gehen? Mit einer Träne werden wir die Aufstiegshelden am kommenden Sonnabend ab 14 Uhr bei einem Spiel gegen den niederländischen Erstligisten Vitesse Arnheim verabschieden. Es wird eine große Party. Und dann: Alles auf Anfang. "Die zweite Saison ist die schwierigste", sagen die Leute. Ach, Union, lass sie doch reden. Mach dein Ding. Irgendwie wird's schon ins Auge gehen, aber eisern.

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