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Leidenschaft auf Eis. Das deutsche Eishockeyteam um Marcel Müller (v.) will an die gute Heim-WM vom letzten Jahr anknüpfen. Foto: dpa

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Sport: „Ein Wunder ist eine einmalige Sache“

Uwe Krupp über sein nahendes Ende als Eishockey-Bundestrainer, die Entwicklung der Nationalmannschaft und die anstehende WM in der Slowakei

Herr Krupp, in der Politik spricht man von einer „lame duck", wenn das Ende einer Amtsperiode abzusehen ist und dadurch Macht und das Durchsetzungsvermögen des Amtsinhabers geschwächt sind. Lässt sich das aufs Eishockey übertragen?

In der Politik ist das sicher akuter. Bei uns aber sehe ich das nicht, auch weil wir überhaupt nicht die Zeit dazu haben, darüber nachzudenken. Du kannst dir als Spieler für die Eventualität, dass da irgendwann mal was passiert, überhaupt keine Gedanken machen.

Sie glauben, es beeinträchtigt die deutsche Nationalmannschaft überhaupt nicht, dass Sie nach der WM in Bratislava den Posten als Bundestrainers abgeben?

Das spielt wirklich gar keine Rolle. Die Spieler ziehen voll mit und machen sich darüber keine Gedanken. In der Kabine haben wir darüber ehrlich kein einziges Mal gesprochen. Natürlich wissen die Spieler Bescheid, aber das sind die besten Spieler Deutschlands – die können damit umgehen. Als Spieler musst du die Fähigkeit haben, dich auf den Moment zu konzentrieren, und das können sie alle. Der Trainerstab übrigens auch.

Sind Sie also auch persönlich kein bisschen wehmütig?

Nein. Ich sehe die Angelegenheit total entspannt. Wir gehen in diese WM genauso rein wie in die letzte oder die davor. Ob ich da jetzt zufällig weitermache oder nicht, ist egal. Der Gedanke daran, was nach der Weltmeisterschaft passiert, ist im Moment sehr weit weg, auch, weil wir so viele Aufgaben vor uns haben. Im Moment scheint es eher, als würde ich noch ewig Nationaltrainer sein. Zudem hinterlassen wir im deutschen Eishockey ja auch ein gutes Fundament.

Inwiefern?

Alle Spieler, die in diesem Jahr bei der WM spielen, haben auch im nächsten Jahr wieder eine gute Chance, dabei zu sein. Das Durchschnittsalter unserer Mannschaft ist unter 25 Jahren, und diese Mannschaft ist im vergangenen Jahr Vierter geworden. Es ist wirklich eine gute Gruppe, die wir dort aufgebaut haben.

Und was vermag diese Gruppe ein Jahr nach der furiosen Heim-WM nun in der Slowakei auszurichten?

Wir haben wenig Probleme mit Verletzungen. Die Spieler haben gut trainiert, auch die Bedingungen, unter denen wir trainiert haben, waren sehr gut. Es hilft natürlich immer, wenn das Team ein bisschen länger zusammen ist – diesmal sind wir erst relativ spät komplett gewesen. Trotzdem werden wir gut vorbereitet in das Turnier gehen. Und wie bei allen Weltmeisterschaften wird dann in erster Linie unser Ziel sein, sich punktemäßig für die Zwischenrunde zu qualifizieren. Danach sehen wir weiter.

Mit Rekordweltmeister Russland, Gastgeber Slowakei und Slowenien haben die Deutschen allerdings eine sehr schwere Vorrundengruppe erwischt.

Das stimmt. Ich wurde auch gefragt, ob man sich gegen vermeintlich stärkere Gegner wie Russland etwas zurückhält, um dann mit mehr Kraft vermeintlich schwächere zu schlagen. Dieser Vorsatz hört sich meistens gut an, aber man hat da die Rechnung ohne die Spieler gemacht. Unsere Spieler gehen in jedes Spiel um zu gewinnen, und ich werde auch immer dementsprechend coachen. Im letzten Jahr haben wir zudem ein Gespür dafür bekommen, wie man große Gegner schlagen kann oder sich zumindest teuer verkauft.

Andererseits hat das Abschneiden im Jahr 2010 womöglich den Druck auf das Nationalteam erhöht, oder?

Ich glaube, die Hauptaufgabe der deutschen Eishockeynationalmannschaft ist es, unsere Sportart in der Öffentlichkeit zu zeigen. Das haben wir im letzten Jahr gemacht. Wenn es in diesem Jahr mehr Leute gibt, die sich die Spiele anschauen, dann profitiert das gesamte Eishockey in Deutschland davon.

Bewirkt das denn konkret etwas bei Ihrer Mannschaft?

Wir sind uns bewusst, wo wir leistungsmäßig stehen. Und wir sind auch realistisch genug, um einzuschätzen, dass das, was da im letzten Jahr passiert ist, eine einmalige Sache war – ein Wunder, ein neues Miracle on ice. Wir wollen natürlich gerne wieder über uns hinauswachsen, aber wir wissen, dass das in der Form nur einmal in 60 Jahren gelungen ist.

Zwei Wunder innerhalb von einem Jahr gibt es selten.

Man hat gesehen, was möglich ist, wenn jeder unserer Spieler noch mal drei, vier Prozent mehr rausholt. Dann waren wir auch in der Vergangenheit immer für eine Überraschung gut. Wenn man große Mannschaften schlagen will, muss bei uns jedoch alles zusammenkommen, das ist richtig. Neulich gegen die Finnen…

… die Deutschland erstmals seit 16 Jahren wieder geschlagen hat...

… haben wir es gesehen. Da haben alle Spieler eine überragende Leistung gezeigt. Wenn du allerdings nicht so emotional spielen kannst, ist der Gegner im Spiel.

So wie beim letzten Test gegen Weißrussland am vergangenen Montag.

Da hätten wir natürlich gerne gewonnen. Aber vielleicht ist es auch gut, dass wir uns da schwer getan haben und dann im Endeffekt knapp verloren haben.

Warum das denn?

So haben wir Ruhe (lacht). Nein, aber vielleicht sind die Erwartungen dann nicht ganz so hoch.

Interview: Katrin Schulze

Uwe Krupp, 45, ist seit 2005 Bundestrainer. Im letzten Jahr führte er die Nationalmannschaft bei der WM zu Platz vier. Ab Sommer übernimmt er als Sportdirektor bei den Kölner Haien.

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