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Sport: Eine Frage des Timings

Wird Michael Schumacher am Sonntag in Spa oder erst in Monza Weltmeister?

Eigentlich müsste alles klar sein: Michael Schumacher erringt am Sonntag mit einem Sieg beim belgischen Formel-1- Grand-Prix in Spa-Francorchamps den 13. Saisonsieg im 14. Rennen und damit automatisch auch seinen siebten WM-Titel. Der Ferrari-Pilot muss nur zwei Punkte mehr holen als sein Teamkollege Rubens Barrichello, um erneut als Weltmeister festzustehen. Keine Strecke erscheint dafür besser geeignet als der Hochgeschwindigkeitskurs in den Ardennen, auf dem Schumachers Formel-1-Karriere vor 13 Jahren begann, auf dem er seinen ersten Sieg überhaupt feiern konnte und wo er bisher sechsmal gewann. „Ich liebe diese Strecke“, sagt Schumacher, und da ist er nicht der Einzige. Die meisten Fahrer sind froh, dass Spa nach einem Jahr Pause wieder im Kalender steht. Die Experten sind sich auch einig darin, dass der Deutsche in Belgien keine Konkurrenz zu fürchten braucht. Der frühere Formel-1- Pilot Marc Surer sagt: „In ihrer gegenwärtigen Form dürften Schumacher und Ferrari in Spa keine Gegner haben.“ Dennoch zweifeln einige daran, dass Schumacher am Sonntag schon Weltmeister wird.

Ferrari-Chef Luca di Montezemolo träumt wohl insgeheim davon, den Titel auf der italienischen Traditionsstrecke von Monza zu holen und sich dann von den eigenen Fans feiern zu lassen. Außerdem wäre die Aufmerksamkeit in zwei Wochen ungleich höher: Für das Rennen in Spa werden sich in Anbetracht der zeitgleich stattfindenden Olympischen Spiele wohl ausschließlich Formel-1- Fans begeistern können. Eine Verschiebung der Entscheidung ließe sich für Ferrari angesichts der klaren Überlegenheit auch relativ unspektakulär bewerkstelligen: Bei einer nicht unwahrscheinlichen Doppelführung müsste diesmal nur Schumachers Teamkollege Rubens Barrichello gewinnen.

Die Frage ist: Was würde Michael Schumacher tun, sollte ihn etwa Ferraris Rennleiter Jean Todt um einen solchen Gefallen bitten? Normalerweise befolgt er die Anweisungen seines Chefs und väterlichen Freundes, als den er ihn immer bezeichnet. Manchmal sogar, ohne sich über die Konsequenzen so recht im Klaren zu sein. Wie beim Rennen in Österreich vor zwei Jahren, als ihm Kollege Barrichello auf Anweisung von Todt den Sieg auf der Ziellinie schenkte.

Eigentlich entspricht es Schumachers Naturell, auch die letzte mathematische Unwägbarkeit auf dem Weg zum siebten Titel so schnell wie möglich auszuräumen. Außerdem würde es ihm zweifellos etwas bedeuten, den Triumph nur 100 Kilometer von seiner Heimat Kerpen entfernt mit den vielen deutschen Fans zu feiern. „Ich will in Spa gewinnen und den Sack zumachen“, sagte er vor dem Rennen. Aber würde der mannschaftsdienliche Schumacher im Interesse von Ferrari seine eigenen Wünsche zurückstellen? Fest steht: Noch nach dem vergangenen Rennen in Ungarn war Schumacher sich jedenfalls gar nicht so sicher, ob er denn lieber in Spa oder in Monza Weltmeister werden würde.

Die andere Frage ist: Denkt Ferrari tatsächlich über eine geheime Stallorder nach oder hat der Rennstall aus dem Ärger nach den Spielereien der Vergangenheit Konsequenzen gezogen? Der ehemalige Formel-1-Pilot und heutige RTL-Kommentator Christian Danner glaubt an Letzteres: „Ich bin überzeugt, dass Ferrari sich sportlich korrekt verhalten wird. Auch weil man die grandiose Saisonleistung nicht durch den faden Beigeschmack einer Ergebnismanipulation entwerten lassen möchte.“ Außerdem besteht ja noch die zugegebenermaßen unwahrscheinliche Möglichkeit, dass alle Theorien durch starke Gegner oder unvorhergesehene Ereignisse im Rennen überflüssig werden.

Jean Todt jedenfalls möchte nicht so recht an eine Fortsetzung der Siegesserie glauben: „Ich habe immer das Gefühl, dass wir beim nächsten Mal nicht gewinnen.“ Bis jetzt hat ihn sein Gefühl allerdings noch fast immer im Stich gelassen.

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