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Der Ausnahmespieler. Für Neymar zahlte Barcelona 57 Millionen Euro. Foto: dpa

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Sport: Eine Nummer kleiner

Die Wirtschaftskrise in Spanien zwingt auch die Fußballklubs beim Saisonstart zu Sparsamkeit.

Berlin - Den neuen Trainer Carlo Ancelotti werden sie heute Abend bestaunen können. Asier Illarramendi auch. Und natürlich Isco, den flinken Dribbler aus Malaga. Wie immer, wenn bei Real Madrid das erste Spiel der Saison ansteht, gibt es allerhand neues Personal zu sehen. Einer wird jedoch fehlen, das große Gesprächsthema der vergangenen Wochen: Gareth Bale. Der schnelle Mann aus Wales sollte der Rekordtransfer dieses Sommers werden. Dieses Sommers? Aller Zeiten! Mehr als 100 Millionen Euro Ablöse forderte Bales Klub Tottenham Hotspur und Real dachte ernsthaft darüber nach, diesen Preis zu bezahlen. Bis den schwerreichen Präsidenten Florentino Perez erste Zweifel beschlichen. „100 Millionen scheint mir doch ein bisschen viel“, sagte Perez kleinlaut nach einem Treffen mit Tottenhams Präsident Daniel Levy. Seitdem herrscht Stillstand in den Verhandlungen zwischen beiden Klubs. Trotzdem ist nicht ausgeschlossen, dass Bale am Ende doch noch in Madrid landet.

Lange war nicht daran zu denken, dass ein Preis einmal für Perez zu hoch sein könnte. Aber die Zeiten haben sich geändert, die Akzeptanz in der spanischen Gesellschaft für maßlose Transfergeschäfte ist gesunken. Auch in Madrid. Spanien steckt seit Jahren in einer schlimmen Wirtschaftskrise, unter den Dreißigjährigen ist fast jeder Zweite ohne Arbeit. Die Kommunen sind verschuldet, der Staat hat Sozial- und Gesundheitsleistungen drastisch gekürzt. „Natürlich sind in diesen Zeiten auch die Summen im Fußball ein Thema“, sagt die Sportjournalistin Cordula Roura. „Nicht jeder hat dafür noch Verständnis.“ Zumal der Fußball lange von der Politik alimentiert wurde, etwa durch Steuergesetze, die nicht selten sehr flexibel ausgelegt wurden.

Roura schreibt für die in Barcelona erscheinende Sportzeitung „El mundo deportivo“, die sich hauptsächlich dem FC Barcelona widmet. Der Klub hat im Juni den Brasilianer Neymar für 57 Millionen Euro vom FC Santos verpflichtet und damit den teuersten Transfer in der Primera Division getätigt. Ansonsten hat sich der Trend eher umgekehrt: Viele namhafte Spieler haben die Liga verlassen. Von den fünf besten Torschützen der vergangenen Saison sind nur Lionel Messi und Cristiano Ronaldo geblieben. Die Nationalspieler Thiago Alcantara, Jesus Navas, Alvaro Negredo, Fernando Llorente, Raul Albiol und Roberto Soldado haben Spanien ebenso verlassen wie der Argentinier Gonzalo Higuain und Radamel Falcao aus Kolumbien. Transfersummen sind die wichtigste Einnahmequelle der Vereine bei ihrem Bestreben, sich finanziell zu sanieren.

Für Roura muss der Abgang vieler Stars aber nicht automatisch mit dem Verlust sportlicher Qualität einhergehen. „Spanien hatte noch nie so viele Talente, das kann man an den erfolgreichen Nachwuchsnationalmannschaften erkennen. Die Abgänge der Stars sind längst nicht so schwer zu kompensieren“, sagt Roura.

Bestes Beispiel dafür ist der FC Valencia. Seit 2010 hat der Klub mit David Silva, Juan Mata, David Villa und zuletzt Soldado seine besten Spieler verloren, trotzdem qualifizierte sich Valencia jedes Jahr für den internationalen Wettbewerb. Von einst 550 Millionen Euro wurde der Schuldenstand halbiert. In drei Jahren will Valencia schuldenfrei sein. Davon ist Real Madrid weit entfernt. Lange wirtschaftete Florentinio Perez nach seinem Ausspruch: „Die teuersten Spieler sind eigentlich die billigsten“. Nur schien er zuletzt nicht mehr so recht daran geglaubt zu haben. Sebastian Stier

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