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Sport: Eine Saison ohne Siege

Seit sechs Spielen hat der Hamburger SV nicht mehr gewonnen – nach der Blamage im DFB-Pokal wirkt Trainer Thomas Doll ratlos

Wie sie davonhetzten, die Hamburger. Es glich einer Flucht. Das Flugzeug warte nicht, hieß es. Aber es wäre wahrscheinlich völlig egal gewesen, ob man am Flughafen in Echterdingen auf den Tross des Hamburger SV gewartet hätte oder nicht. Den meisten ging nur ein Gedanke durch den Kopf, Thomas Doll formulierte ihn: „Jetzt geht es darum, schnell aus Stuttgart wegzukommen.“ Als der HSV-Trainer die letzten Worte seines Satzes aussprach, drehte er sich bereits ab wie jemand, der weg muss, weil ihm ein beklemmendes Gefühl in der Brust die Luft raubt. Die Fernsehstationen beorderten ihre Kamerateams im Eilschritt vor die Haupttribüne des Gazi-Stadions in Stuttgart-Degerloch, um die Abfahrt der Verlierer zu filmen. Es lässt sich mit diesen Bildern allerlei orakeln, wenn es um die nächsten Wochen geht.

Champions League, schwere Spiele in der Bundesliga. Erst Arsenal, dann Dortmund und Bremen. Der Große fährt geschlagen aus der Arena des Kleinen. Im DFB-Pokal ist für den HSV alles möglich, immer wieder. 1974 1:2 in Eppingen, 1984 0:2 in Geislingen und nun dies 3:4 nach Verlängerung bei den Stuttgarter Kickers. Baden-Württemberg ist kein gutes Pflaster, wenn der HSV seine Kicker schickt. Diesmal aber ist es vielleicht schlimmer als je zuvor. Diesmal geht es um viel Geld, wenn am Mittwoch die Champions League auf dem Programm steht. Der HSV scheint alles andere als gerüstet. Eine Mannschaft, ja ein ganzer Verein sucht nach dem Ausweg aus etwas, was manche schon als Krise einstufen. Sechs Pflichtspiele, kein Sieg und nun das. Thomas Doll, der Trainer, senkte früh ernüchtert und ohnmächtig den Kopf am Spielfeldrand.

Jetzt verkündete er Urteile, die wie Flüche klangen. „Arrogant“ seien seine Spieler gewesen. Mancher werde die Auswirkungen schnell zu spüren bekommen, drohte er. „Wir müssen uns fragen: Ist das unser Weg, wollen wir so weiter machen?“, fragte Doll und wusste keine Antwort. Zumindest an diesem trüben Pokaltag nicht, als neben ihm die Sieger, die Fußballspieler der Kickers aus der Regionalliga, jubelten. Robin Dutt, ihr Trainer, tanzte im rosafarbenen Hemd über den Rasen. „Ich hatte zur Pause gehofft, dass sie uns unterschätzen und nach dem 3:2 denken, sie werden das schon heim schaukeln“, sagte Dutt. Für Doll und Co schien alles wieder repariert in dieser 44. Spielminute, als Demel das 3:2 mit einem tollen Schuss gelang. „Was dann in der zweiten Hälfte passiert ist, hatte mit Fußball nichts zu tun“, sagte Doll. Recep Yildiz traf zum 3:3 und freute sich über die anschließende Belohnung. „Heute Morgen“, tönte der 20 Jahre alte Türke, der noch daheim bei den Eltern wohnt, „hat mein Vater zu mir gesagt, wenn du zwei Tore machst, bekommst du ein neues Auto.“ Yildiz hatte nach fünf Minuten schon das 1:0 erzielt, dem Christian Okpala das 2:0 der Kickers folgen ließ. Jetzt nach dem 3:3 aber hatten die Hamburger jede Menge Zeit zu siegen, aber offenbar wenig Lust dazu. Okpala schoss per Foulelfmeter sein zweites Tor und die Pokal-Überraschung war perfekt.

2,4 Millionen Euro ist der Saisonetat der Kickers, so hoch soll das Grundgehalt des Kapitäns der argentinischen Nationalmannschaft sein, Juan Pablo Sorin. Der saß angeschlagen in Stuttgart als Zuschauer auf der Tribüne. Ob er am Mittwoch gegen Arsenal helfen kann, ist ungewiss. Sie brauchen dringend den Mann, der als einer gilt, der anpackt und mitreißt. Vor allem Thomas Doll hofft auf ihn. Was Dolls Verteidiger Bastian Reinhardt kurz vor der Abreise am Sonnabend sagte, gilt fortan als hoffnungsvolle Losung für das nächste Spiel. „Wir werden in die Partie gehen wie die Kickers in das Pokalspiel“, versprach Reinhardt.

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