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Sport: Eine Stadt bereitet sich auf die Landung Außerirdischer vor - der FC Bayern kommt

Martin Andermatt ist als Trainer so streng wie als Vater. Nicht einmal durch Geburtstage lässt sich der 38 Jahre alte Schweizer erweichen.

Martin Andermatt ist als Trainer so streng wie als Vater. Nicht einmal durch Geburtstage lässt sich der 38 Jahre alte Schweizer erweichen. Ausnahmen gibt es auch keine, wenn der Gegner Bayern München heißt und ganz Ulm sich auf das Bundesligaduell heute gegen den Rekordmeister vorbereitet wie auf die Landung Außerirdischer. Nicolas Andermatt, der zum aufstrebenden Nachwuchs des helvetischen Fußballs zählt, verbringt seinen vierten Geburtstag also auf der Tribüne. "Es geht streng nach Leistung", sagt Andermatt senior lächelnd. "Und er ist einfach noch nicht so weit", erklärt der Trainer des Schwimm und Sportvereins Ulm und lächelt wieder. "Er wird uns dort oben Glück bringen." Andermatt junior, so versichert der Vater, trägt die harte sportliche Einschätzung samt Folgen mit Fassung. Alle anderen Ulmer, ob Spieler oder Anhänger, wollen unbedingt dabei sein. "Der Glaube an die Chance ist so groß wie die Vorfreude", erzählt der Trainer Andermatt. "Meine Spieler können Geschichte schreiben."

Wenn mit Uli Hoeneß ein echter "Sohn der Stadt" für ein paar Stunden dahin zurück kehrt, wo der heutige Bayern-Manager am liebsten nach einer Maultaschensuppe noch einen Rostbraten mit Spätzle verdrückt und früher sonnabends hinter der Ladentheke der Metzgerei seiner Eltern stand, ist Fußballfeiertag an der Donau. Die Lokalblätter erfreuen ihre Leserschaft mit Sonderseiten, auf denen auch die Geschichte der Hoeneß-Brüder Uli und Dieter vorkommt, von denen der eine als Unternehmer jüngst mit dem Titel "Botschafter der deutschen Wurst" dekoriert wurde und der andere als Manager von Hertha BSC Karriere macht. In der Ulmer Geschäftsstelle klingelten die Telefone im Sekundentakt, die Bitten Kartensuchender wurden flehentlicher, je näher das erste Bundesligaduell mit den Bayern rückte. Das Spiel des Jahres ist mit 22 966 Zuschauern ausverkauft.

Wenn fast alle Augen der Fußball-Republik die Partie des Davids gegen den Goliath beobachten, kreist zu PR-Zwecken ein Hubschrauber über dem Donaustadion, aus dem 500 Fußbälle in die Arena purzeln. Alle sollen sehen, dass in Ulm ein Klub mit Ambitionen heranwächst, auch wenn ein 18-Millionen-Etat, die 11 000 Mitglieder nebst den sieben Angestellten der Geschäftsstelle im Vergleich zu den 80 Millionen, den fast 80 000 Mitgliedern und den 88 Angestellten der Bayern eine andere Welt darstellen. Immerhin steht rechtzeitig zum großen Spiel der neue Mannschaftsbus der Ulmer für 750 000 Mark da. Der neue Kunstrasenplatz mit Rasenheizung ist bezugsfertig. Die VIP-Logen sind trotz Topzuschlag erstmals ausverkauft. An einem solchen Tag denkt keiner an die bevorstehende schwierige Zeit mit den Neuwahlen am 16. Dezember, zu denen Präsident Florian Ebner nicht mehr antritt. Dann müssen die Mitglieder nicht nur ein neues Oberhaupt wählen, sondern auch eine Frage entscheiden, die den Verein inzwischen in zwei Lager spaltet. Obwohl die Ulmer wirtschaftlich auf gesunden Füßen stehen, liebäugelt die Vereinsführung mit einem Angebot der Kinowelt AG, die mit einem Aus- oder Neubau-Angebot von 50 Millionen Mark für das Donaustadion lockt und sich dafür die Vermarktungsrechte des Klubs sichern will. Viele in Ulm befürchten, die Annahme dieser Offerte käme der völligen Aufgabe der Handlungsfreiheit gleich.

Mit derlei Problemen will Andermatt seine Spieler nicht belasten. "Wir dürfen das Kollektiv nicht vergessen. Gegen die Bayern kann man nur als starkes Kollektiv bestehen", sagt Ulms Trainer. "Aber wir wollen nicht nur bestehen, wir wollen Punkte holen, wir brauchen sie." Nicht nur für Uli Hoeneß, auch für Andermatt ist die Begegnung mit dem Klub "vom anderen Stern" eine Reise in die Vergangenheit. Unter Trainer Ottmar Hitzfeld spielte Andermatt einst beim Schweizer Spitzenklub Grasshopper Zürich. Ob er damals bei ähnlich strenger Auslese wie heute sein Sohn Nicolas auf die Tribüne verbannt wurde, wollte der Ex-Nationalspieler nicht verraten. "Wie so oft im Fußball waren auch wir manchmal anderer Meinung", sagte der Ulmer Trainer augenzwinkernd über die gemeinsamen Zeiten mit dem Münchner Coach.

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