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Viele haben dem Nationalteam zugeschaut, doch ändert das etwas für den Handball. Jannik Kohlbacher (Mitte) bei der WM im Spiel um Platz drei gegen Frankreich.

© Jonathan Nackstrand/AFP

Eine WM macht noch keine Schule: Warum Handball es bei der Jugend schwer hat

Was hat die Handball-WM bewirkt und warum tritt der DHB so wenig an die Schulen heran? Drei Schüler berichten aus eigener Erfahrung.

Die Handball-Weltmeisterschaft hat in den vergangenen Tagen viele in Deutschland fasziniert. Doch was bleibt davon für die Sportart übrig? Spielt Handball bei uns für die Jugend überhaupt ein Rolle? Drei junge Praktikanten vom Tagesspiegel berichten aus eigener Erfahrung von ihren Schulen in Berlin und Köln.

Wir haben sieben Handballtore auf dem Pausenhof - aber da wird nur Fußball gespielt

Sind durch die Handball-WM irgendwelche Veränderungen beim Spielen auf dem Pausenhof zu erkennen? Oder wird der Fußball immer alles in Grund und Boden wälzen und auch demnächst überwiegen? Der Fußball ist immer schon der Nummer eins Sport auf dem Pausenhof gewesen. Ich denke, dass die Handball-WM keinen großen Umschlag bringen wird und sich daran nicht viel ändern wird. Trotzdem ist es komisch, dass bisher kaum bis gar kein Handball bei uns gespielt wurde, weil wir auf dem Pausenhof, bis auf zwei große Fußballtore, sieben Handballtore haben. Auf die wird trotzdem Fußball gespielt, weil sie einfach als Tore zum Draufspielen und nicht nur als Handballtore aufgestellt wurden.

Allgemein gibt es sehr viel mehr Jugendliche, die fußballinteressiert sind als welche, die Handball als ihren Sport Nummer eins sehen. Wir hätten auch schon begeistert werden können, weil wir auch schon in Sport am Anfang von diesem Schuljahr Handball hatten. Richtig begeistern konnten sich dafür aber nicht alle. 50 Prozent in der Klasse hatten Spaß, aber man hatte bei keinem so richtig das Gefühl, dass es jetzt jemandem die Augen geöffnet hat und ein verstecktes Talent oder ein neues Hobby hervorgebracht hat. Es war eher ein „Herumgespiele“, bei dem in 15 Minuten mit sehr viel Glück und einer ganz guten Mannschaft zwei Tore fielen. Aber ja, vor der WM konnte man doch ab und an ein paar Leute beobachten, die Handball gespielt haben.

Trotzdem wird sich der Handball an unserer Schule in Zehlendorf höchstwahrscheinlich nicht durchsetzen. Das ist einerseits schade für die, die das ganze gerne oder sogar im Verein spielen, aber der Großteil auf unserer Schule, was jetzt explizit Jungs angeht, ist einfach eher dem Fußball zugewandt.

Ich bin mal gespannt, wie lange diese Euphorie hält

Wenn sich dieser Hype jetzt durch die Handball-WM und vielleicht durch ein dadurch ausgelösten Wunsch, ein Spiel der Füchse Berlin zu sehen, ein wenig ausbreiten würde, könnte vielleicht auch mehr für die Popularität getan werden. So wird vielleicht trotz des überwiegenden Teils der Fußballanhänglichkeit eine zweite Interessenlage gebildet. Denn wenn dieser Hype so weitergeht, löst der Handball vielleicht in den nächsten Jahren den Fußball in der Pause ab und dann sind nicht mehr Cristiano Ronaldo und Lionel Messi die bewunderten Stars, sondern ein Paul Drux oder ein Fabian Wiede. Das ist vielleicht eine etwas weit hergeholte Theorie, aber ich denke nicht, dass sie unmöglich wäre, auch wenn sich Fußball hauptsächlich als Sport der Nation eingegliedert hat.

Auch bei mir in der Mannschaft geht es beim Training eigentlich nur um den Sport, den wir betreiben, also Fußball, oder um irgendwelche Videospiele. Aber plötzlich gab es dann doch ein paar Leute, die über Handball gesprochen haben. Das hat mich schon sehr verwundert, aber auch sehr gefreut, dass es nicht mal Tag ein Tag aus Videospiele sind, über die geredet werden.

Die meisten waren fasziniert von den schnellen Pässen und mit welcher Kraft die Handballer den Ball aus dem Handgelenk werfen könnten. Auch die Torhüterleistung von Andreas Wolff und anderen Keepern, die mit so manchen Reflexen fast unmöglich zu haltende Bälle hielten, wurde von ein paar Leuten angesprochen. Wenn man sich überlegt, dass bis dato Handball gar nichts in der Mannschaft verloren hatte, war es doch verwunderlich, was eine Heim-WM so alles anstellen kann.

Viele aus meinem Umfeld, die sonst wirklich nichts mit Handball zu tun haben, waren dann doch über die körperliche Härte der Spieler überrascht und meinten, dass sich die meisten Fußballer auch mal eine Scheibe davon abschneiden könnten. Da kann man dann wirklich glücklich sein, dass so manch ein Fußballer sich nicht Handballer als Beruf ausgewählt hat.

Ich bin mal gespannt, wie lange diese Euphorie hält, denn man weiß ja nie, ob das nicht in zwei Wochen wieder voll uncool ist.

Vincent Petzold, 14 Jahre alt

Seite 2: Handball ist aufregender als Fußball

Im Handball passiert mehr als im Fußball

Die diesjährige Handball-Weltmeisterschaft der Männer löste eine regelrechte Euphorie um Handball in Deutschland aus. Die Gastgeberländer waren Deutschland und Dänemark. Deutschland schied kurz vor dem Finale aus und erreichte den vierten Platz. Doch die Euphorie in den Veranstaltungsorten blieb bis zum Finale, welches Dänemark gewann.

Viele meiner Freunde wussten, dass die Handball-Weltmeisterschaft erst vor kurzem stattfand. Allerdings haben es die meisten nur bemerkt, da die Handball-WM das erste Mal seit Jahren im Free-TV übertragen wurde. Genauso, wie die meisten Menschen in Deutschland schauen sie lieber die Fußball-Weltmeisterschaft. Die Fußball-WM 2018 hatte pro Spiel im Durchschnitt 26,27 Millionen Zuschauer, während die Handball-Weltmeisterschaft im Durschnitt nur von 7,31 Millionen Menschen pro Spiel verfolgt wurde, was schon ein Rekord war. Das ist überraschend, da Handball ein deutlich schnelleres Spiel ist, in dem mehr passiert als beim Fußball. Warum hat die Fußball-WM trotzdem mehr Aufmerksamkeit als die Handball-Weltmeisterschaft?

Es kann schon einmal nicht an der Quote der gewonnenen Spiele liegen. Der Deutsche Handballbund (DHB) hat 60,4% seiner Spiele gewonnen, 9,6% unentschieden gespielt und 30% verloren. Der deutsche Fußball-Bund (DFB) hat bei 58% seiner Spiele gesiegt, 20,3% unentschieden gespielt und 21,7% der Spiele verloren. Wenn man diese Ergebnisse betrachtet sind die Quoten bei Handball  und Fußball relativ gleich. Was kann es sonst für Gründe geben, dass Fußball mehr Fans hat als Handball?

Handball wurde für Frauen entwickelt - vielleicht ist der Sport deshalb nicht so populär wie Fußball

Meiner Meinung nach liegt es daran, dass Handball eine für Frauen entwickelte Sportart ist. Sie sollte nicht so aggressiv und köperbetont wie Fußball sein, welches nur die Männer spielen durften. Carl Schelenz hat die Spielregel nach einiger Zeit für die Männer angepasst, damit diese auch Handball spielen konnten. Der Ball wurde verkleinert und Zweikämpfe wurden erlaubt. Also ist Handball mittlerweile fast härter als Fußball.  Die Ursprünge des Handballs liegen in der Antike, dort gab es bereits im dritten Jahrhundert handballähnliche Fang- und Wurfspiele. Max Heiser gilt als Erfinder des Handballs, er legte am 29. Oktober 1917,  die ersten Regeln für das Spiel „Torball“ fest, welches später in „Handball“ umbenannt wurde.

Da früher die Frauen den Männern untergeordnet waren, bekam Handball vermutlich nicht so viel Aufmerksamkeit wie Fußball. Auch die Sponsoren investierten mehr in Fußball anstatt in Handball. Als die Frauen den Männern gleichgestellt wurden, blieb die Aufmerksamkeit weiterhin bei Fußball, da es immer noch als bessere Sportart galt, und so wurde im Laufe der Jahre auch immer mehr in Fußball investiert. Auch wenn es mittlerweile Frauenfußball gibt, schauen die meisten Leute noch eher Männerfußball. So wäre geklärt, warum mehr Leute Fußball anstatt Handball gucken.

Einige Handballvereine in Deutschland haben ihre eigenen Spiele, die während des Finales angesetzt waren, sogar verschoben. Ein Trainer sagte, der Wunsch sei von den Spielern gekommen.  Aber ziehen die Handballvereine auch einen Nutzen aus der Handball-Weltmeisterschaft oder leiden sie darunter, dass Deutschland den vierten Platz belegt hat?

Wir spielen im Sportunterricht Handball

Seit 2017 sind die Mitgliederzahlen des deutschen Handballbundes (DHB) zum ersten Mal wieder stabil und sinken bzw. steigen nicht weiter. Im Jahre 2016 lag die Mitgliederzahl bei genau 756.987 und im Jahre 2017 war der Stand der Mitglieder bei 756.907. Somit ist die Zahl der Mitglieder nur um 80 Personen gesunken.

Ob seit der Handball-Weltmeisterschaft 2019 mehr Anmeldungen an die Handballvereine gegangen sind, kann man noch nicht mit Sicherheit sagen. Ich könnte mir das aber gut vorstellen, da diese Weltmeisterschaft die erste seit Jahren war, die im Free-TV übertragen wurde. Die Handballvereine glauben fest an einen Anstieg der Mitgliederzahlen, da es dieses Jahr auch noch eine regelrechte Handball-Euphorie gab.

Meine Freunde und ich haben vor der Handball-WM nur im Sportunterricht auf meiner Schule in Wannsee Handball gespielt. Während die Handball-Weltmeisterschaft stattfand, haben die meisten meiner Freunde sie gespannt verfolgt. Aber sie wollen sich in Zukunft nicht in einem Handballverein anmelden oder sonst irgendwie anfangen Handball zu spielen. Aber ich kann mir vorstellen, dass es  vor allem Kinder gibt, die schon immer große Fans des Handballs waren und jetzt vielleicht den Entschluss gefasst haben, sich in einem Handballverein anzumelden.

Olympia Rumpf, 14 Jahre alt

Seite 3: Fußball und Basketball sind bei Schülern populärer

Die Mitgliederzahlen beim DHB stagnieren

Insgesamt gibt es 28 Handballvereine in ganz Berlin. Das hört sich nach einer ganzen Menge an. Doch wenn man sich hier vergleichsweise die Statistik der Fußballvereine in Berlin ansieht, scheint der Handball wieder klein zu sein. 93 Fußballvereine sind es.

Handball war früher anders als heutzutage. Es wurde auf dem Feld gespielt. Es gibt zwei Arten von Feldhandball. Zwischen 1967 bis 1973 gab es eine Feldhandball-Bundesliga. In dieser Zeit und vorher war das Großfeldhandball üblich. Beim Großfeldhandball ist das Spielfeld so groß, wie ein Fußballfeld. Damals gab es natürlich ganz andere Regeln als beim Handball, was wir heute kennen. Danach gab es noch das Kleinfeldhandball.

Diese Form von Handball entspricht eigentlich der Form von Handball, welches heutzutage gespielt wird. Der einzige Unterschied war, dass Kleinfeldhandball draußen gespielt wurde. In Deutschland war das Kleinfeldhandball nicht wirklich populär und man stieg schließlich auf Hallenhandball um. In anderen Ländern, wie Luxemburg  wurde bis 1975 die Landesmeisterschaft noch draußen gespielt.

Der Deutsche Handballbund (DHB) der Männer gewann dreimal die Weltmeisterschaft, wurde zweimal Europameister, sowie einmal Olympiasieger. Der letzte wirklich große Erfolg der Nationalmannschaft war 2016. Da wurden die Spieler Europameister. Die Hoffnung auf einen weiteren Titel war dieses Jahr groß.

Die deutsche Nationalmannschaft spielte die Vor- und Hauptrunde im eigenen Land famos auf und erreichte das Halbfinale ohne eine eigene Niederlage. Doch dann trafen sie in Hamburg auf die stark aufspielenden Norweger und verloren mit sechs Toren Unterschied. Die erste Niederlage bei der Heim-WM als Euphoriebremse? Ein wenig. Während bei der Niederlage im Halbfinale gegen Norwegen 11,91 Millionen Zuschauer das eher einseitige Duell verfolgten, sahen trotzdem mehrere Millionen Zuschauer das Drama um Platz drei an.

Warum gibt es keine Handball-AG an der Schule? Da ist der DHB gefordert

Doch wie sieht es jetzt nach der Weltmeisterschaft im eigenen Land aus? Seit dem Wintermärchen 2007, dem Titelgewinn im eigenen Land, sollte man meinen, dass eigentlich die Mitgliedschaftszahlen des DHB gestiegen sind. Doch erst am 1. Januar 2018 sind in einem Jahr mal wieder mehr Mitglieder dazugekommen. Es war die erste Steigerung in den Zahlen seit 2009! 757.593 Frauen und Männer sind Mitglieder im Deutschen Handballbund.

Doch welche Relevanz hat der Sport abseits der Klubs? Wird auf Pausenhöfen überhaupt noch über Handball gespielt? Geschweige denn über ihn gesprochen?

Gesprochen wurde während der WM natürlich, wenn auch nicht wirklich so ausführlich. Doch mir ist es jedenfalls nicht bekannt, dass auf dem Pausenhof Handball gespielt wird. Fußball oder Basketball sind üblicher. Doch wenn man vielleicht an Schulen häufiger eine Handball-AG anbieten würde, wäre es durchaus möglich, dass der Handball populärer werden könnte. Bei mir an meiner Schule in Köln gibt es das nicht. Doch der DHB könnte auch mal selber Initiative ergreifen und so was zum Beispiel finanzieren.

Die nächste Unklarheit ist die Zukunft. Die Frage ist, ob noch genug gute deutsche Handballer ausgebildet werden, um in Zukunft das deutsche Nationalteam zu Titeln zu führen. Vieles ist noch unklar, doch es wird sicher über Lösungen beraten und momentan ist der deutsche Handball ja noch in einer guten Entwicklung. Hoffen wir, dass es so bleibt.     

Oskar Wilms, 14 Jahre alt

Vincent Petzold, Olympia Rumpf, Oskar Wilms

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