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Sport: Einer schlägt zurück

Nach sportlichen und persönlichen Problemen will Felix Sturm wieder zeigen, warum er die große Hoffnung im Boxen ist

Berlin - Felix Sturm mag keine Schnörkel. Keine, wenn er boxt, und keine, wenn er spricht. „Pah, eine Niederlage schmeißt einen Champion doch nicht um“, sagt Sturm. Vielleicht drei oder vier, „aber die lasse ich nicht zu“.

Felix Sturm ist so etwas wie der Lukas Podolski des deutschen Boxens. Sturm boxt wie er spricht – ohne Ansatz und ohne Rückversicherung. Er wirkt unverbraucht, frech und ist mit all dem ausgestattet, was man braucht, um ein Star zu werden. Ähnlich dem Fußballnationalspieler vom FC Bayern wird Felix Sturm eine große Karriere vorhergesagt. Wie Podolski, der schon heute mit Gerd Müller verglichen wird, eilt auch Sturm ein Ruf voraus, der nachhaltige Rechtfertigung braucht.

Felix Sturm war schon zweimal Weltmeister. Was für Podolski der Confed-Cup im Sommer 2005 war, als sein Stern aufging, war für Sturm der Sommer 2003. Da sich sein Stallkollege Bert Schenk wenige Tage vor einem WM-Kampf in Berlin verletzte, sprang der junge Profi ein und knöpfte Weltmeister Hector Javier Velazco den Titel ab. Diesen WM-Titel nach Version des Verbandes WBO verlor er ein Jahr später in einem spektakulären Kampf, der als sein bester überhaupt gilt. Sturm boxte im Sommer 2004 in Las Vegas gegen Oscar de la Hoya, den Superstar der Szene, und verlor ungerecht nach Punkten. Selbst nach Meinung der amerikanischen Medien hatte Sturm die Legende nach allen Regeln der Boxkunst entzaubert. Seitdem gilt Sturm als Kronprinz im Mittelgewicht.

Der 27 Jahre alte, in Leverkusen geborene Sohn bosnischer Zuwanderer (die Eltern kamen vor mehr als 35 Jahren nach Deutschland) hat nach seinem Übertritt ins Profilager seinen Namen geändert. Als Adnan Catic war er bei den Amateuren Deutscher Meister und Europameister geworden und hat sein Fachabitur gemacht. Auf Felix kam er, weil Felix Glück bedeutet. Den Nachnamen fand er in einer Lokalzeitung. Die schrieb, Catic fege über seinen Gegner hinweg wie ein Sturm. „Ich bin in Deutschland geboren und möchte als Deutscher wahrgenommen werden. Dies wäre mit meinem bisherigen Familiennamen schlecht möglich“, sagte Sturm damals.

Im März 2006 schlug er in Hamburg Maselino Masoe und wurde erneut Weltmeister, diesmal nach Version der WBA. Es sieht mitunter mühelos aus, wie er seine Gegner beherrscht. Wenn da nicht der Hang zum Leichtsinn im Boxring wäre, der ihm auch schon als Überheblichkeit ausgelegt wurde. „Niemand kann mich aufhalten. Ich schlage jeden“, hatte er getönt und aus den Augen verloren, wie gefährlich das in seinem Sport sein kann. Im Sommer ging er gegen seinen spanischen Herausforderer Javier Castillejo schon in der zweiten Runde zu Boden. Er wollte Castillejo mit aller Gewalt schlagen. In der zehnten Runde schwanden schließlich seine Kräfte. Er verlor.

Kommenden Samstag boxt Felix Sturm im Berliner Estrel Convention Center gegen den Australier Gavin Topp. „Er ist ein guter Kämpfer, aber ich habe auch gesehen, wie man ihm Probleme bereiten kann“, sagt Sturm. Auf derselben Veranstaltung boxt sein Bezwinger aus dem Juli. Castillejo verteidigt seinen Titel gegen den Argentinier Mariano Natalio Carrera. Sollten beide, Sturm und Castillejo, ihre Kämpfe gewinnen, steht einer WM-Revanche nichts mehr im Weg. „Ich will diesen Kampf“, sagt Sturm. „Ich will meinen Titel zurück.“

Die Niederlage im Boxring war nicht das Einzige, was Sturm im Sommer zu verarbeiten hatte. Wenige Tage nach dem Verlust seines Titels war seine Mutter nach schwerer Krankheit verstorben. Noch am selben Abend stand für Sturm fest: „Ich höre mit dem Boxen auf.“

Sein Trainer Michael Timm ließ ihm Zeit. „Felix ist ein Typ, der irgendwann kommt, der reden muss. Ich glaube sogar, dass ihm das Boxen und seine Liebe zu diesem Sport geholfen haben, den schlimmen persönlichen Verlust zu verarbeiten“, sagt Timm. Es wurden viele Gespräche geführt. Über den Verlust der Mutter und dann auch über die vermeidbare Niederlage im Ring, die er auf diese Weise schnell verarbeitete. Sich nur zu 99 Prozent auf einen Gegner zu konzentrieren, reiche nicht aus, sagt Sturm heute: „Das eine Prozent kann einen ganzen Kampf kosten.“ Gegen Castillejo hätte Sturm den Fehler gemacht, zu denken: „Na den knalle ich jetzt aber aus dem Ring“, sagt sein Trainer. Diese Erfahrung habe er noch gebraucht. Sturm boxe jetzt wieder effektiver und nicht mehr so verschwenderisch.

Auch der Mensch Felix Sturm hat sich verändert. „Er ist in seinen Handlungen nachdenklicher und in seinen Gedanken intensiver geworden“, sagt Timm. Womöglich musste Sturm erst mal auf die Bretter, um zu erleben, wie verletzbar er ist. „Die Erfahrung, dass nicht alles geradeaus läuft, ist sehr wertvoll für ihn.“ Der Trainer erlebe einen reiferen Felix Sturm. Dieser isoliere sich in der Trainingsgruppe nicht mehr so, er sei aufmerksamer geworden den anderen Boxern gegenüber. „Die Rückschläge haben ihm geholfen, sich einzuordnen, ohne seine herausragenden Qualitäten zu verlieren“, sagt Timm.

Felix Sturm macht ein ernstes Gesicht. Die Trauer über den Tod seiner Mutter werde in ihm immer wieder hochkommen; der Verlust des WM-Titels ist dagegen zu verschmerzen. „Ich werde wieder Weltmeister werden. Ich habe gelernt einzustecken“, sagt Felix Sturm, der sich kompletter fühlt als je zuvor: „Austeilen konnte ich immer schon gut.“

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