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Sport: Einer wie Ali

Boxer Solis Fonte tänzelt zu Gold im Schwergewicht

Es wird ein grandioser Empfang werden in den Privaträumen von Fidel Castro. Kubas Staatschef wird Odlanier Solis Fonte umarmen, wird ihn hoch dekorieren und wird ihm vielleicht einen Kühlschrank zukommen lassen für seine Heldentaten im olympischen Boxring von Athen. Denn der 24Jährige hat nicht nur Gold gewonnen, das haben vier seiner Landsleute auch. Odlanier Solis Fonte hat Gold im Schwergewicht gewonnen, der prestigeträchtigsten Gewichtsklasse des Boxens. Aus solchen Siegern werden Multimillionäre, wenn sie ins Profilager wechseln. Für einen Kubaner kommt das aber nicht in Frage. So war es bei Teofilo Stevenson, so war es Felix Savon, und so wird es sehr wahrscheinlich auch bei Solis Fonte sein, weshalb ihn der „Maximo Lider“ besonders herzlich an seine Brust drücken wird.

Im Athener Finale bezwang Solis Fonte den Weißrussen Wiktar Sujew klar und deutlich. Zweifel am Ausgang dieses Duells gab es keine. Der Einzige, der ihm hätte gefährlich werden können, war von ihm gleich zum Auftakt besiegt worden. Weltmeister Solis Fonte bezwang den Vize-Weltmeister und Europameister Alexander Alexejew aus Russland.

Mit der olympischen Goldmedaille im Schwergewicht setzt Solis Fonte eine Tradition fort, die ihren Anfang vor 32 Jahren nahm. Bei den Spielen in München 1972 gewann der Kubaner Teofilo Stevenson die Goldmedaille im Schwergewicht. Das wiederholte er 1976 in Montreal und 1980 in Moskau. Da war Stevenson gerade einmal 28 Jahre alt, trotzdem sollte es seine letzte Goldemedaille sein, 1984 und 1988 boykottierte Kuba Olympia. Bei den Spielen in Los Angeles und Seoul gewannen in Henry Tillman und Ray Mercer zwei US-Amerikaner. Dann aber kam Felix Savon. Der Zweimeter-Hüne holte Gold 1992 in Barcelona, 1996 in Atlanta und zuletzt 2000 in Sydney. Beide, Stevenson und Savon, wurden mehrmals Weltmeister und zu Helden Kubas. Dafür ließen sie Millionen von Dollar liegen. Denn Schwergewichts-Gold bei Olympia gilt seit Jahrzehnten als Eintrittskarte in das Lager der Profis und damit ins Reich der irrwitzigen Gagen. Mit Gold bei Olympia starteten die Karrieren von Cassius Clay alias Muhammad Ali (Rom 1960, Halbschwergewicht), von Joe Frazier (Tokio 1964) und George Foreman (Mexiko-Stadt 1968). Sie wurden später Weltmeister bei den Profis und mehrfache Millionäre.

Wie schon Stevenson und Savon wird nun auch Odlanier Solis Fonte mit Ali verglichen. Es sind seine rhythmische Begabung, sein Instinkt, sein tänzerischer Stil und seine ausgefeilte technische Finesse, die das Publikum entzücken. Aber wie seine beiden prominenten Vorgänger wird auch Solis Fonte nicht ins Profilager wechseln.

Schon Stevenson lehnte es während seiner Blütejahre ab, gegen Muhammad Ali anzutreten. Die beiden wohl charismatischsten Schwergewichtschampions sind sich nie im Ring begegnet. Es wäre in den Siebzigerjahren ein Jahrhundertkampf gewesen. Doch Stevensons Treue zu Castro war stets stärker als die Verlockung aller Dollar-Millionen. Alis Trainer, Angelo Dundee, sagte über Stevenson einmal: „Boxer wie er sind rarer als schwarze Diamanten.“ Castro wusste das, und schenkte dem Heroen nach dem Olympiasieg von Moskau einen Kühlschrank und ein Automobil namens Lada.

Auch Savon hätte Reichtum scheffeln können, wenn er die Lager gewechselt hätte. Er tat es nicht. „Meine Siege widme ich dem kubanischen Volk“, sagte er stets. Heute hat er freie Fahrt in allen öffentlichen Verkehrsmittel Kubas und kümmert sich um den Nachwuchs. Odlanier Solis Fonte wird sich nicht anders verhalten. Sollte Fidel Castro die nächsten Spiele in Peking in vier Jahren noch erleben, wird es wieder einen hübschen Empfang in Havanna geben.

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