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Aus den Augen verloren. Bundestrainer Lambertz (links) war nicht zufrieden mit den Ergebnissen der deutschen Schwimmer – das gilt auch für die Zeiten von Britta Steffen (rechts). Foto: dpa

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Sport: Einfach mehr trainieren

Deutschlands Schwimmer haben bei der Weltmeisterschaft in Barcelona enttäuscht – Bundestrainer Lambertz fordert Konsequenzen.

Barcelona - Die Rahmenbedingungen bei Britta Steffens Spanienreise waren, sagen wir mal: mittelprächtig. Deshalb war die prominenteste Sportlerin des Deutschen Schwimm-Verbands (DSV) am Ende auch den Umständen entsprechend milde gestimmt. „Ich bin sehr zufrieden und habe meine Möglichkeiten voll ausgeschöpft“, sagte die 29 Jahre alte Freistilspezialistin, die es mit der deutschen Lagenstaffel am letzten Abend der Weltmeisterschaft in Barcelona noch einmal ins Finale geschafft hatte und dort Achter wurde. Doch dann ergänzte Steffen noch einen Satz, der sehr typisch ist für sie. „Es war nicht alles so wie gewünscht – im Sinne von träumen.“

Steffen hatte davon geträumt, noch einmal hinauf aufs Medaillentreppchen steigen zu dürfen. Dorthin hat im Finale über 100 Meter Freistil allerdings ein gutes Stück gefehlt, über die halbe Distanz war Steffen, die bei der Qualifikation erkrankt fehlte, gar nicht gestartet – obwohl sich Chefbundestrainer Henning Lambertz bereits öffentlich über den Verzicht von Daniela Schreiber zugunsten ihrer Vereinskollegin gefreut hatte. Wenig später hörte sich das jedoch ganz anders an. Steffen sagte, ein Start über die Sprintstrecke sei nie geplant gewesen. Nun ist die WM vorbei – und zum Thema 50 Meter Freistil gab Steffen nur noch folgenden Satz zu Protokoll: „Über verschüttete Milch muss man nicht weinen.“ Zum Weinen waren die Auftritte des DSV im Palau Sant Jordi allerdings schon.

Am Ende durfte sich lediglich Silbermedaillengewinner Marco Koch – von Leistungssportdirektor Lutz Buschkow „Marcus Koch“ genannt – über 200 Meter über eine Medaille freuen. Die nächstbeste Platzierung eines DSV-Schwimmers – Rang vier von Steffen Deibler über 100 Meter Schmetterling – war für den mit Weltjahresbestzeit angereisten Hamburger dagegen bereits eine Enttäuschung. Es verrät einiges über die Stimmung im Team, dass Britta Steffen bei der Auflistung der Favoritinnen für den Kraulsprint am Sonntagabend die Dänin Jeanette Ottesen Gray erwähnte. „Die schwimmt über 50 Meter Delfin fast schneller als das komplette deutsche Team über 50 Meter Freistil“, sagte Steffen.

Auf einen Start bei der Heim-EM wollte sich die Doppelolympiasiegerin von Peking in dieser Laune nicht festlegen lassen. „Die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen. Ich will hier nichts versprechen und dann sagen: ‚April, April’.“ Sie mache jetzt Urlaub, erklärte Steffen, und in dem will sie sich Gedanken über ihre sportliche und persönliche Zukunft machen.

Henning Lambertz ist da deutlich weiter – und sein Urteil über die deutschen Schwimmer fällt verheerend aus. „Es liegt vieles im Argen, und viel tiefer im Argen als man vielleicht vermutet hat“, analysierte der Trainer. Und Lutz Buschkow, der in Ermangelung eines Bundestrainers bei den enttäuschenden Olympischen Spielen in London auch die Poolabteilung verantwortete, ergänzte: „Im Vergleich zu Olympia hat sich prinzipiell nichts geändert.“

Auf ohnehin niedrigem Niveau tritt man also hübsch auf der Stelle. Dieser Umstand veranlasste Lambertz zu scharfer Kritik an seinen früheren Kollegen, sprich: den Heimtrainern. Ihnen hatte Lambertz bei der Vorbereitung ihrer Schwimmer auf die Weltmeisterschaft ungewöhnlich viele Freiheiten gelassen – es dürfte ein einmaliger Versuch gewesen sein, wie der 42-Jährige angesichts von nur rund 20 Prozent verbesserter persönlicher Bestzeiten durchblicken ließ. In der Zielvorgabe hatte man sich noch auf einen Wert um die 70 Prozent verständigt.

„Die Freiheiten, die ich eingeräumt habe, sind in vielen Bereichen nicht so gestaltet worden, wie wir uns das erhofft haben“, sagte Lambertz, „die nächste Saison wird mit deutlich mehr Vorgaben ablaufen, als das jetzt der Fall war.“ Und die zentrale Forderung des Chefbundestrainers – intensiveres und härteres Training – unterstrich auch DSV-Chef Buschkow, der in Barcelona erkannt hat: „Wir müssen einfach so trainieren wie die Weltspitze.“ Andreas Morbach

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