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Sport: Einsam in Berlin

Von André Görke Berlin. In den engen Seitenstraßen des Kurfürstendamms ist der Vormittag erträglich.

Von André Görke

Berlin. In den engen Seitenstraßen des Kurfürstendamms ist der Vormittag erträglich. Bäume spenden Schatten, in Cafés trinken Menschen Espresso und genießen die Ruhe, die sie einige Meter weiter auf dem Breitscheidplatz nicht finden können. Tausende Fußballfans sind am Wochenende in der Stadt. Heute Abend steigt im Berliner Olympiastadion das DFB-Pokalendspiel zwischen Bayer Leverkusen und Schalke 04. Vor der Gedächtniskirche stehen Männer in Schalke-Trikots und singen Lieder von der angeblich besten Mannschaft der Welt.

Dennis singt nicht. Er guckt nur. Dennis ist Fan von Bayer Leverkusen. Wo sind die Kumpels? „Weiß nicht“, sagt Dennis. „Wir haben nicht so viele Fans wie die Schalker. Die kommen aus dem ganzen Bundesgebiet, bei uns sind die meisten aus dem Rheinland.“ Dennis ist aus Koblenz angereist, und als er zu den Bierbänken und den tanzenden Männern in blauen Trikots schaut, wird er von einem Schalke-Fan fotografiert. Ein Objekt mit Seltenheitswert, so ein Bayer-Fan.

Leverkusen ist keine hübsche Ortschaft, sondern eine Industriestadt, deren Hauptbahnhof den schlichten n „Leverkusen–Mitte“ trägt und deren Fußballer mit beeindruckender Abgeklärtheit stets nur Vizemeister werden. Das Image des Klubs ist immer noch bescheiden. „Werkself“, sagen die Fans anderer Vereine. Weil der Klub den Namen des Chemiekonzerns Bayer trägt.

Wie wird ein Mensch Fan von Bayer Leverkusen? „Ich habe mir das nicht ausgesucht“, sagt Dennis. „Mir gefällt es dort einfach.“ Das enge Stadion ohne störende Laufbahn, der schöne Fußball, den sie spielen. „Und es ist nicht so anonym wie bei großen Fußballvereinen. Wir kennen uns im Fanblock, ich weiß, wo meine Freunde sitzen.“

Für den Fanartikel-Stand von Leverkusen interessieren sich auf dem Breitscheidplatz nur wenige. „Das Geschäft läuft gut“, sagt Elisabeth, die Verkäuferin, und lächelt tapfer. Elisabeth sagt: „Die Leverkusener Fans sind in der Stadt, glauben Sie mir. Sie fallen nur nicht auf.“ Dennis schiebt seinen Cheeseburger in den Mund. Und schweigt.

Der Deutsche Fußballbund hat den Klubs jeweils 18 000 Karten zur Verfügung gestellt. Doch den Schalkern reicht das nicht. Seit Wochen durchkämmen sie das Internet nach Restkarten, und da sie in Leverkusen ihr Kontingent nicht ausschöpfen konnten, werden heute viele Schalker in der Leverkusener Fankurve sitzen. Bayer-Trainer Klaus Toppmöller hofft, dass „sich die neutralen Zuschauer auf unsere Seite schlagen“.

Aus Leverkusen werden gerade mal 20 Busse und zwei Sonderzüge erwartet, die Schalke-Fans dagegen haben allein 80 Busse organisiert. Die meisten schienen am Freitag schon da zu sein. Und die Leverkusener? „Versuchen Sie es mal in der Jungfernheide“, sagt ein Mann vom Leverkusener Fanprojekt. „Die kicken beim Fanturnier.“

Natürlich kicken auf den Sportplätzen in der Jungfernheide nicht Tausende Fans. „Wir sind mit 20 Leuten hier“, sagt Bayer-Fan Sebastian. „Die anderen kommen erst am Samstag. Wer soll denn die ganzen Übernachtungen immer zahlen? Und: Wer hat so viele Urlaubstage?“ Die Kumpels nicken. Neulich erst waren sie in Manchester. Und am Mittwoch fahren sie nach Glasgow, zum Endspiel in der Champions League.

Unbeliebt ist Bayer Leverkusen nicht. Eher uninteressant. „Die ganze Nation fragt dich: Wie kannst du nur Fan von denen sein?“, erzählt Sebastian. „Heute stört uns das nicht mehr. Wenn dich in Deutschland keiner mag, dann schweißt das zusammen.“ Sebastian ist trotzig. Wenn die Fußballfans in den Stadien singen „Ihr werdet nie Deutscher Meister“, dann sagt er sich: „Das Schöne an Bayer ist: Wir haben nicht so viele Pöbelfans wie die Schalker.“

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