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Sport: Einspielen auf hohem Niveau

Die deutsche Mannschaft freut sich über den erfolgreichen WM-Start, beklagt aber noch zu viele Fehler

Berlin - Ob er die Atmosphäre genossen habe? Henning Fritz, der Torwart der deutschen Handball-Nationalmannschaft, lächelte ein wenig gequält. Das Eröffnungsspiel der Handball-Weltmeisterschaft lag hinter dem 32-Jährigen, die 10 000 Zuschauer in der ausverkauften Berliner Max-Schmeling-Halle hatten den deutschen Handballprofis zugejubelt, eine stimmungsvolle Feier hatte das Großereignis würdig eröffnet, und die Ränge waren mit schwarz-rot-goldenen Fahnen gefüllt. Aber der Mann vom THW Kiel hatte keinen Blick dafür gehabt, und nun wusste er nicht, ob er das jetzt auch so mitteilen konnte. Er zögerte ein paar Sekunden, dann sagte er: „Der Druck bei einer WM im eigenen Land ist so groß, man ist so fokussiert auf das Spiel, da ist es schwer, die Atmosphäre drumherum zu genießen.“ In seinem 200. Länderspiel war seine Konzentration groß genug gewesen: Mit 27:22 (15:12) konnte Deutschland gegen den Panamerika-Champion Brasilien den ersten Sieg einfahren, und Fritz hatte mit einer starken ersten Halbzeit und insgesamt 15 Paraden seinen Teil dazu beigetragen. „Wir können mit dem Sieg zufrieden sein, denn Brasilien hat taktisch und technisch stark aufgeholt, aber wir haben noch zu viele Fehler gemacht“, sagte Fritz. Am Sonntag trifft Deutschland im zweiten Vorrundenspiel im westfälischen Halle auf Argentinien (17.30 Uhr, live im ZDF). Argentinien gilt ähnlich wie Brasilien nur als krasser Außenseiter. Dennoch ahnt Fritz: „Das wird nicht leichter als gegen Brasilien.“

Um sich auf die Partie gegen den kommenden Gegner einzustimmen, studierte Bundestrainer Heiner Brand schon auf der Zugfahrt von Berlin nach Bielefeld Bilder von der argentinischen Mannschaft. Erste Erkenntnisse nahmen ihm die Sorge, dass sie in der Deckung ähnlich offensiv agiert wie Brasilien. „Ich habe den Eindruck, sie spielen mehr europäisch“, sagte Brand. „Das müsste uns eigentlich besser liegen.“

Immerhin gab es aus der ersten Partie auch Ermutigendes für das deutsche Team. „Die Mannschaft ist mit einer guten Einstellung in das Spiel gegangen“, sagte Bundestrainer Brand, der sich auch über die nötige Wachheit seiner Spieler in der Anfangsphase freute. Doch hatte er die Schwächen in nahezu allen Mannschaftsteilen nicht übersehen. „Wir hatten Probleme im Positionsangriff, haben viele Abpraller nicht bekommen, und dann haben wir auch viele Bälle sofort wieder weggeworfen“, sagte Brand, „und die Abwehr wurde zunehmend löchriger, weil jeder meinte, einmal spekulieren zu müssen.“ Da die Brasilianer wie erwartet mit einer offensiven 3:2:1-Abwehrformation die deutschen Angreifer teils 13 Meter vor ihrem Tor empfingen, kam der Gastgeber nicht zu den erhofften frühen Toren. Vor allem der Halbspieler Pascal Hens scheiterte immer wieder an dem gut aufgelegten brasilianischen Keeper Maik dos Santos und kam bei 13 Versuchen auf nur sechs Tore – eine Quote, die sich gegen stärkere Gegner wie Polen, das am Montag zum letzten Gruppenspiel in Halle wartet, oder auch in der Hauptrunde rächen könnte.

Auf die aggressive, unorthodoxe Deckung der Brasilianer und ihren beweglichen Angriff stellte sich Deutschland erst allmählich ein, eigentlich erst nach zehn Minuten, als Brand beim Stand von 3:5 seine erste Auszeit nahm. Die ruhig vorgetragenen Instruktionen brachten den erhofften Effekt; nun spielten die Deutschen ihre Systeme konsequenter durch und entschieden sich bei Tempogegenstößen auch nicht mehr für den riskantesten Pass. Stattdessen wurde der Ball schnell und mit Kurzpässen vor allem auf den überzeugenden Florian Kehrmann weitergetragen: Beim 7:5 durch den Lemgoer führte der Gastgeber erstmals etwas deutlicher – und dennoch, monierte nicht nur Fritz, „haben wir Ruhe und Sicherheit vermissen lassen“. Wirklich in Bedrängnis geriet das deutsche Team aber nicht mehr. Schließlich strebte Deutschland einem nicht rauschenden, aber jederzeit sicheren Sieg entgegen. Spätestens beim 25:20 durch den überzeugenden Spielmacher Markus Baur war die Partie entschieden, danach versuchten sich Kehrmann und Klein noch an einem Kempa-Trick, doch das Kunststück gelang nicht.

„Das war Einspielen auf hohem Niveau“, sagte Christian Schwarzer, der zurückgetretene Nationalspieler, der als Experte fürs Fernsehen arbeitet, „es ist nichts passiert.“ Als gefährlich erwiesen sich über die gesamte Spielzeit hinweg die Werbeaufkleber auf dem Spielfeld, auf denen die deutschen Spieler mehrere Male übel ausrutschten. „Der Kleber war sehr rutschig“, erklärte Kapitän Markus Baur. Die Spieler waren einer unnötigen Verletzungsgefahr ausgesetzt, glücklicherweise kam niemand zu Schaden. So konnte die deutsche Mannschaft beruhigt den Heimweg in ihr Quartier nach Halle in Westfalen antreten: Die erste Pflichtaufgabe ist erfüllt – aber auch eine Steigerung nötig.

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