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© dpa

Einstieg und Ausstieg: Schumacher und BMW - Was heißt das für die Formel 1?

Chaos in der Formel 1. Der Rekord-Weltmeister Michael Schumacher steigt wieder ein, BMW aus. Was heißt das alles für den Motorsport?

Genau genommen ging der Chaos-Tag in der Formel 1 schon am Abend vorher los. BMW lud abends um zehn zu einer eilig einberufenen Pressekonferenz nach München. Schon da ahnte man, was am nächsten Morgen um zehn Uhr Gewissheit wurde: BMW verlässt ab kommender Saison die Formel 1. Offiziell, weil man mehr auf Öko-Image setzen wolle. Tatsächlich wohl eher, weil das Formel-1-Team BMW-Sauber bisher recht erfolglos, dafür aber sehr teuer seine Runden dreht. Diese Meldung vom BMW-Rückzug allein hat die Formel 1 aufgeschreckt. Und vielleicht sind am Mittwochabend dann noch ein paar Rennfahrer zusammengezuckt. Denn Michael Schumacher, der siebenfache Weltmeister kehrt zurück. Er ersetzt den verletzten Ferrari-Piloten Felipe Massa.

Hat Schumacher eine Chance?

Nüchtern betrachtet nein. Vor allem vier Punkte sprechen gegen Schumacher. Erstens ist er sein letztes Rennen im Oktober 2006 gefahren. Danach war er für Ferrari zwar als Testfahrer aktiv, aber auch als solcher drehte er seine letzten Runden im April 2008. Entsprechend kennt er das aktuelle Auto nicht. Viele technische Details sind seit Schumachers letzter Fahrt im Ferrari hinzugekommen, mit denen er noch keine Erfahrung hat. Zweitens: dieses neue Auto hat sich zwar technisch weiterentwickelt, aber nicht unbedingt zu seinem Vorteil. Der aktuelle Ferarri ist kein Sieger-Auto. Drittens kennt Schumacher zumindest die Strecke des nächsten Grand Prix’ in Valencia nicht. Die war 2006, als Schumacher seine Karriere beendet hatte, noch nicht im Programm. Viertens ist Schumachers Nacken ein Problem. Seine Fitness ist allem Anschein nach immer noch gut, nur hatte er Anfang des Jahres einen Motorrad-Unfall. Seitdem hat er Schmerzen im Nacken, und der wird bei Formel-1-Rennen stark belastet. Doch seine Chance heißt Ehrgeiz. Denn mit diesem hat er beinahe jeden Rekord in der Formel 1 gebrochen. Und dieser wird ihn auch bei seinem Comeback begleiten.

Ist die Entscheidung von Ferrari klug?

Es ist zumindest die logischste. Denn dem Rennstall hätten noch zwei andere Testfahrer zur Verfügung gestanden, die das aktuelle Auto kennen. Aber konditionell, renntaktisch und -strategisch ist Schumacher denen voraus. Außerdem punktet Ferrari mehrfach. Sie haben einen Fahrer, der etwas aus der Übung ist, aber immer noch Rennen fahren kann, und das ist besser als gar keinen auf die Piste zu schicken. Außerdem ist Ferrari Aufmerksamkeit gewiss, auf die es im Formel-1-Business auch ankommt.

Und warum steigt BMW aus?

Während Schumacher demnächst wieder fährt, wird BMW zukünftig seine Rennautos in der Garage lassen. Der Autobauer wolle vielmehr mit Spritspartechnologie punkten, und da passe ein PS-Spektakel nicht mehr in die Zeit, sagte BMW-Chef Norbert Reithofer. Es sei eine strategische Kehrtwende. Durch den Formel-1-Ausstieg spart der Autohersteller jährlich aber auch eine dreistellige Millionensumme. Motorsportdirektor Mario Theissen, der an der Entscheidung nicht beteiligt war, zeigte sich „persönlich sehr enttäuscht“. Aber er sagte: „Der Vorstand muss sich am Gesamtinteresse des Unternehmens orientieren. Aus Unternehmenssicht kann ich diese Entscheidung nachvollziehen.“ Noch beim Großen Preis von Ungarn am Wochenende hatte Theissen, der auch Teamchef von BMW-Sauber ist, dem Tagesspiegel gegenüber bestätigt, dass ein derart teures Unternehmen wie die Formel 1 nur mit guten Resultaten gerechtfertigt werden könne: „Natürlich spielt das eine Rolle. Deswegen ist es für uns alle wichtig, dass wir die Trendumkehr schaffen.“ Zwar verwies er auf das mit geschätzten 250 Millionen Euro pro Jahr vergleichsweise günstige Team, doch auf die Frage, ob sich ein Weltkonzern bei ausbleibenden Erfolgen nicht zwangsläufig zurückziehen werde, antwortete er: „Das kann immer passieren.“ Nun ist es passiert, aber Reithofer hält offiziell andere Gründe bereit. Er will das Image von BMW umweltfreundlicher ausrichten. Allerdings gehen die meisten Beobachter davon aus, dass vor allem das schlechte sportliche Abschneiden und der finanzielle Druck die wahren Gründe für den Ausstieg aus der Formel 1 sind.

Seit wann war BMW in der Formel 1?

Zwischen 1980 und 1986 lieferten sie die Motoren für Brabham. 1983 wurde Nelson Piquet auf einem Brabham-BMW Weltmeister. Im Jahr 2000 traten die Bayern in Partnerschaft mit Williams neu an. Erst 2006 hatte BMW den unabhängigen Schweizer Rennstall Sauber aufgekauft und war in dieser Saison erstmals als Team in der Formel 1 angetreten.

Was wird aus diesem Team?

Noch ist unklar, wie es mit Sauber weitergeht. Die Mannschaft verfügt über modernes und millionenschweres Equipment. Die Teamvereinigung Fota versucht dem Sauber-Team zu helfen. Ein Verkauf des Teams ist laut Mario Theissen „ein Szenario“. Wenngleich kein besonders realistisches. Der frühere Eigner des Teams, Peter Sauber, kündigte an: „Ich werde alles versuchen, um das Team zu retten.“ Vor allem ist es um das Schicksal der 740 Beschäftigten des Rennstalls schlecht bestellt. Ihre Zukunft soll sich bis September klären. Auch die Fahrer, der Deutsche Nick Heidfeld und der Pole Robert Kubica, müssen bangen.

Steigen noch andere Hersteller aus?

BMWs Absprung zeigt, dass die Zeit der großen Konzernteams ihrem Ende entgegengeht. Zwar erklärte Theissen, er habe bei einem Treffen am Rande des Ungarn-Grand-Prix „nicht den Eindruck gewonnen, dass ähnliche Entscheidungen bei anderen Herstellern anstehen“. Doch zu Beginn des Jahres stieg Honda trotz laufenden Vertrages wegen der exorbitanten Kosten für den Unterhalt eines Formel-1-Rennstalls aus. Das Team wurde von Ross Brawn übernommen und fährt nun unter dessen Namen weiter. Ein ähnliches Modell deutet sich im Fall Renault an. Der Abschied der Franzosen aus der Formel 1 nach dieser Saison gilt als sehr wahrscheinlich, danach könnte der derzeitige Teamchef Flavio Briatore den Rennstall weiterführen. Auch Toyota wird immer wieder als Wackelkandidat genannt. Außerdem sind nur noch Mercedes und Ferrari in der Formel 1 engagiert.

Wie geht es mit BMW in anderen Rennserien weiter?

Ganz will sich BMW nicht vom Motorsport verabschieden. Zwar werde BMW weder ein Formel-1-Team stellen noch Motoren für andere Formel-1-Teams liefern, dafür könnte es einen Einstieg bei der günstigeren und sehr populären Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft geben. Bisher sind dort nur Audi und Mercedes präsent. „Das ist eine Option“, sagte Mario Theissen. Die Rennwagen sind laut BMW-Konzernchef Reithofer nah an Serienmodellen und könnten so die Brücke zur angekündigten neuen Spritsparphilosophie des Münchner Autobauers schlagen. Auch plane BMW bei Langstreckenrennen wie in Le Mans an den Start zu gehen.

Was bedeutet das alles nun?

Im Prinzip war dieser Tag kein schlechter für die Formel 1. BMW ist auf den ersten Blick ein Verlust, weil ein renommierter Autobauer die Szene verlässt und ihm vielleicht noch andere folgen. Aber es bietet auch die Chance, einen Neuanfang in kleinerem Maßstab zu wagen. Die Rückkehr von Schumacher bringt der Formel 1 wieder Aufmerksamkeit nach den vielen negativen Nachrichten der vergangenen Tage, bei denen es um Streit ums Geld, die Regeln und den Hitler-Vergleich von Formel-1-Chef Bernie Ecclestone ging. Und sportlich wird es vielleicht auch noch spannender, schließlich kann Schumacher noch Weltmeister werden. Wenn der WM-Führende Jenson Button keine Punkte mehr macht und Schumacher alle verbleibenden sieben Rennen gewinnt.

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