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So sehen Sieger aus. Die Frankfurter mit dem Pott.

© Imago

Eintracht Frankfurt und die Europa League: Erst der Titel, dann der Durst

Eintracht Frankfurt hat die Europa League belebt wie kaum ein anderes deutsches Team. Entsprechend groß fallen nun die Feierlichkeiten aus.

Nach dem Titel kam der Durst. Am Ende eines nervenaufreibenden, hitzigen Finales, das bei 30 Grad Abendtemperatur in Sevilla begonnen und bei 25 Grad vor Mitternacht mit dem Elfmeterschießen geendet hatte, wollten viele Frankfurter im Stadion nur eines: trinken. Etwa 15.000 Eintracht-Fans waren fast dehydriert, weil sie 120 Minuten ganz in Weiß mit farblich passenden Kappen in der Kurve gesungen hatten, wo es weder Bier gab und Wasser selbst in den Toiletten knapp wurde.

Doch das schien erst einmal alles egal. Denn nach 42 Jahren ohne große Titel hatte der Bundesligist soeben die Europa League gewonnen, nach einem 5:4-Sieg vom Punkt gegen die Glasgow Rangers.

Im Lamettaregen konnte die Getränkezufuhr noch warten. Auch bei Kevin Trapp, der erst nach der Auszeichnung zum Spieler des Spiels und zahllosen Interviews eine Getränkedose gereicht bekam, mutmaßlich alkoholischen Inhalts. Die leerte der Torwart genüsslich, während seine Mitspieler die 15 Kilo schwere Silbervase ihren Fans präsentierten, die trotz Durst lange im Stadion verblieben.

„Wir sind alle Helden“, hatte Trapp das Lob nach Abpfiff der dramatischen Partie weitergereicht. Doch stach der Nationalkeeper klar heraus, nicht nur wegen des gehaltenen vierten Elfmeters, der am Ende den Titel brachte. Sondern wegen der Rettungstat Minuten vor Abpfiff der Verlängerung. Glasgows Ryan Kent wollte da schon zum Torjubel abdrehen – doch Trapps Fuß verhinderte es.

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Doch war er in der Tat nicht der einzige Held. Kapitän Sebastian Rode musste nach einem Tritt an den Kopf minutenlang behandelt werden und spielte mit Turban weiter, wie Bastian Schweinsteiger im WM-Finale 2014. „Ein Traum, mit der Eintracht diesen Titel zu gewinnen“, sagte Rode, der 2011 mit Frankfurt abgestiegen war und nun wie viele sein Karriere-Highlight erlebte.

Fassungslosigkeit war neben Durst das stärkste Gefühl, das diesen unerwarteten Cupgewinn eines Teams begleitete, das in der Bundesliga oft enttäuschte, aber international über sich hinauswuchs. „Das ist der größte Moment der Vereinsgeschichte“, stammelte Präsident Peter Fischer euphorisch.

„Es war nicht hochdramatisch, es war turbodramatisch“, fasste Vorstandssprecher Axel Hellmann zusammen. Nach 56 Minuten waren die Schotten durch Joe Aribo in Führung gegangen, weil Eintracht-Verteidiger Tuta im Zweikampf einen Krampf bekam und einfach umfiel. Doch danach dirigierte statt ihm eben der 38-jährige Makoto Hasebe routiniert die Abwehr, Filip Kostic brachte eine seiner vielen Flanken zu Rafael Borré, der nach 68 Minuten ausglich. Danach ging es mit viel Kampf und Krampf bis ins Elfmeterschießen, das der Kolumbianer mit dem letzten Treffer krönte.

Auch Filip Kostic traf seinen Elfmeter und will in Frankfurt bleiben.
Auch Filip Kostic traf seinen Elfmeter und will in Frankfurt bleiben.

© Hufnagel/Imago

„Wir sind wie so oft in der Europa League nach einem Rückschlag zurückgekommen“, beschrieb Trainer Oliver Glasner. „Wir haben wieder einmal gezeigt, was uns ausmacht.“ Nach Ernst Happel ist er erst der zweite Österreicher, der einen Europapokal ercoachte. Zur Belohnung durfte er nach Abpfiff in die Gasse zwischen seinen Spielern tauchen und sich mit Bierduschen erfrischen lassen.

Ein Traum für alle Durstigen im Stadion, die sich danach in Sevilla verteilten, auf der Suche nach Trinkbarem. Die Fans der Rangers eher aus Frust, dabei hatten die Schotten auch abseits des Rasens eine vorzeigbare wie faire Performance geliefert. Unter den knapp 40.000 Zuschauern im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán waren die Blauen sogar in der Überzahl, ebenso wie tagsüber in der Stadt. Während sie sich nun beim schottischen FA-Cup-Finale am Samstag trösten wollen, kauften viele Frankfurter noch schnell literweise Wasser, weil es teils nachts mit Bussen und Zügen zurück ging.

Die nächste Party wartet am Donnerstagabend in Frankfurt

Am Donnerstagabend sollte schließlich schon die Mannschaft mit Cabrios vom Flughafen Frankfurt zum Rathaus-Balkon fahren und dort 100.000 Fans den Pokal präsentierten. „Dieser Titel ist auch für die ganz harten Jungs, die da mit Tränen in den Augen stehen nach den Spielen und uns immer unterstützen“, sagte der verletzte Verteidiger Martin Hinteregger vorab dem Hessischen Rundfunk. „Und für Jürgen Grabowski und Bernd Nickel.“ Die Vereinslegenden waren während der Saison verstorben.

Doch was folgt für Frankfurt? Zunächst mal die erstmalige Teilnahme an der Champions League in der kommenden Saison, was der Eintracht zusammen mit den Pokalprämien satte Einnahmen in Höhe von etwa 50 Millionen Euro bescheren dürfte – was gerade reichen könnte, um die Corona-Verluste von 45 Millionen Euro auszugleichen und vielleicht einige Leistungsträger doch zu halten.

So kündigte Glasner bereits den Verbleib von Kostic an. Was fehlen wird, ist die Europa League – zumindest vorerst. Und ein wenig muss man aufpassen, nicht Opfer des eigenen Hypes zu werden und irgendwann zu überdrehen. Glasner ist es egal: „Ich feier jetzt bis Samstag durch, am Sonntag geht’s in den Urlaub.“

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