zum Hauptinhalt
Eine Grätsche aus Stahl. Benedikt Höwedes blockte Girouds Torschuss in der ersten Halbzeit.

© dpa

Einzelkritik zu Deutschland - Frankreich: Zweite-Reihe-Parker und tragische Helden

Grätschen aus Stahl, coole und offensive Außenverteidiger - und ein arrivierter Spieler, der einmal richtig daneben greift. Die deutschen Spieler in der Einzelkritik.

Manuel Neuer: Ist offiziell 193 Zentimeter lang. Brauchte nach sechs Minuten jeden einzelnen plus seine Armlänge, um den Schuss von Griezmann zu parieren. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte hätten Neuer allerdings nicht einmal 293 Zentimeter gereicht, um den Strafstoß der Franzosen zu parieren, weil Griezmann dummerweise in die falsche Ecke schoss. Kam vor dem 0:2 nur noch mit den Fingerspitzen an den Flankenball von Paul Pogba

Joshua Kimmich: Sehr offensiv unterwegs. Leitete nach einer Viertelstunde eine erste Halbchance von Thomas Müller, kam aber zu selten am alten Patrice Evra vorbei. Wurde in der Defensive trotz Dimitri Payet als Gegenspieler selten gefordert. Kaum war Payet vom Feld, vertändelte Kimmich im eigenen Strafraum den Ball und leitete so das 0:2 ein. Traf direkt wenig später den Pfosten.

Jerome Boateng: Behielt seinen Platz rechts in der Innenverteidigung, damit er weiterhin seine gefürchteten Diagonalbälle auf Jonas Hector spielen konnte. Spielte in der ersten Minute aber erst einmal einen hanebüchenen Rückpass auf Manuel Neuer. Kurz darauf trat er am Ball vorbei, später unterlief er einen Ball und musste Giroud von der Mittellinie ziehen lassen. Sonst aber wieder glänzend als Bollwerk, das in den entscheidenden Momenten immer ein Körperteil in die Flugbahn des Balles bringt. Humpelte nach einer knappen Stunde verletzt vom Feld – es wirkte wie das Symbolbild für den geplatzten Traum vom EM-Titel.

Benedikt Höwedes: Ersetzte den gesperrten Mats Hummels. Hatte Olivier Giroud so gut im Griff, dass er kurz vor der Pause einfach mal ein Solo durchs zentrale Mittelfeld wagte – bis er komplett die Orientierung verloren hatte und nicht mehr wusste, wohin mit dem Ball. Hatte die Orientierung gleich darauf wieder gefunden, als er mit einer Grätsche aus Stahl einen Torschuss von Giroud blockte.

Jonas Hector: Sehr offensiv unterwegs. Cooler Typ, der auch unter Druck keine Nervosität zeigt. Spielte den Ball kurz vor der Pause leider ohne Druck über die Torauslinie – bei der folgenden Ecke nahm Schweinsteiger die Hand zur Hilfe.

Emre Can: Startete mit einem energischen Solo durchs Mittelfeld – und spielte den Ball dann in die Füße eines Franzosen. Auch bei den nächsten Aktionen war ihm die Nervosität anzumerken. Wollte es bei seinem EM-Debüt besonders gut machen und machte vor allem leichte Fehler. Leitete dann mit einem feinen Zuspiel auf Kimmich den ersten richtig guten Angriff ein und hatte nach einer Viertelstunde die beste Chance, als Lloris seinen Schuss irgendwie noch aus der Ecke fischte. Wurde danach ruhiger und selbstsicherer.

Bastian Schweinsteiger: Machte 45 Minuten ein überragendes Spiel, war immer anspielbar, hatte die beste Passquote aller Spieler, war auch in der Defensive einige Male sehr aufmerksam – und stürzte sich vor der Pause mit ausgestrecktem Arm in ein Kopfballduell mit Patrice Evra. Der Schiedsrichter entschied zu Recht auf Elfmeter für die Franzosen – und machte Bastian Schweinsteiger, den Helden von Rio, zum tragischen Helden von Marseille.

Mesut Özil: Brachte in den wilden Anfangsminuten ein bisschen Ballsicherheit ins Spiel. Bei ihm befand sich der Ball stets in guten Füßen. Durfte sich frei über den Platz bewegen und machte davon ausgiebig Gebrauch. Scharwenzelte zwischen den französischen Linien umher und war daher immer anspielbar. Nur in der Defensive gelegentlich etwas zu unaufmerksam.

Toni Kroos: Spielte durch Schweinsteigers Startelfdebüt und die taktische Umstellung weiter vorne und war dadurch nicht so auffällig in der Spieleröffnung. Regelte aber auch auf vorgeschobener Position den Fluss und war für den dominanten Auftritt in der ersten Hälfte mitverantwortlich. Fiel in der zweiten Hälfte vor allem durch gute Standards auf – und ein fast gewonnenes Laufduell gegen Griezmann.

Julian Draxler: Sehr umtriebig und stets um Beschleunigung im letzten Drittel bemüht. Allerdings war der Weg in den französischen Strafraum meist von Zweite-Reihe-Parkern blockiert wie die Straßen von Marseille.

Thomas Müller: Durfte diesmal den Gomez geben. Musste also rackern, rempeln, schieben und schubsen – und selbst einiges einstecken. Eine klare Chance hatte er in der ersten Hälfte nicht. Einmal versuchte er es nach langem Anlauf von außerhalb des Strafraums, einmal rutschte er bei dem Versuch, in die Mitte zu passen, auf dem Rasen aus. Passte irgendwie zu seinen Auftritten bei der EM, die erneut ohne einen Treffer zu Ende gegangen ist.

Shkodran Mustafi: Kam nach einer Stunde für Boateng, brachte Kimmich kurz darauf mit einem schlampigen Pass im eigenen Strafraum in Bedrängnis und ließ sich anschließend von Pogba austanzen: Danach war das Spiel entschieden.

Leroy Sané: Beendete möglicherweise zwölf Minuten vor Schluss die Länderspielkarriere von Bastian Schweinsteiger und hätte mit seinem ersten Ballkontakt beinahe den Anschlusstreffer erzielt.

Mario Götze: Hat als Einwechselspieler mal Fußballgeschichte geschrieben. Aber Geschichte wiederholt sich eben nicht immer.

Zur Startseite