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Nur nicht einschlafen. Berlins Laurin Braun (hinten) stützt sich auf Münchens Yannic Seidenberg – allerdings im Zweikampf.

© Matthias Balk/dpa

Eisbären Berlin vor viertem Halbfinale: Ein freier Tag macht müde Männer munter

Haben die Eisbären nach einem Tag Pause heute im vierten Halbfinalduell gegen München genug Kraft für den Serienausgleich?

Es ist ein paar Jahre her, da schubste ein aufgeregter Eishockey-Bundestrainer seinen Verteidiger Frank Hördler nach einem WM-Spiel in Bratislava aus der Interviewzone. „Komm Frank, weg hier“, raunzte der Bundestrainer. „Wir brauchen jede Minute zur Regeneration.“ Die Deutschen hatten an jenem 6. Mai 2011 ein anstrengendes Spiel gegen Finnland 4:5 nach Verlängerung und Penaltyschießen verloren und weniger als 24 Stunden später stand schon das nächste Spiel gegen den ausgeruhten Gegner Dänemark an. Der Bundestrainer wusste, dass seine müden Profis nun jede Minute zur Erholung brauchen würden.

Wie schwer wiegt das mit der physischen Belastung im Eishockey, einer Sportart, in der die Spieltermine viel enger liegen als etwa im Fußball? Wie sehr ist eine Mannschaft im Nachteil, wenn sie in kurzer Zeit mehr Spiele absolviert hat als der Gegner?

Der Bundestrainer im Jahr 2011 war Uwe Krupp, heute Trainer der Eisbären Berlin und in einer ähnlichen Situation wie damals in der Slowakei: Seine Spieler sind in den Play-offs seit Anfang März im Dauereinsatz und haben in der laufenden Halbfinalserie gegen RB München kaum Zeit zur Regeneration. Am Dienstag verloren sie Spiel drei in München 1:5 – gegen einen Gegner, der zuletzt viel weniger aufs Eis musste. Vor Spiel vier am Freitag in Berlin (19.30 Uhr, Arena am Ostbahnhof) hatte Krupp seinem Personal nun für den Donnerstag einen freien Tag gestattet. Sein Stürmer Darin Olver sagte: „Wir haben den freien Tag wirklich nötig. Man hat zuletzt gesehen, welche Mannschaft deutlich mehr Spiele gemacht hat. Wir waren nicht nur körperlich, sondern auch mental erschöpft.“

Am 26. Februar war in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) der letzte Spieltag der Hauptrunde. Seit dem 1. März hat Meister München sieben Spiele bestritten, das ist nicht viel für diesen Zeitraum gemessen an Eishockeyverhältnissen. Die Eisbären aber haben in diesem fünf Wochen zwölf Mal in den Play-offs auf dem Eis gestanden und das zum Teil mit deftiger Überlänge. Gut 109 Spielminuten Verlängerung haben sich bei den Berlinern angesammelt, insofern haben die Eisbären, die schon fünf Verlängerungen spielen mussten, quasi 14 komplette Spiele hinter sich. München hat lediglich einmal in der Verlängerung gespielt – im ersten Teil der Serie gegen Berlin.

Die Grundlagen für die Kondition werden vor einer Saison gelegt

Der Berliner Sportmediziner Thorsten Dolla, einst Mannschaftsarzt des Eishockeyteams Berlin Capitals, sagt: „Vor allem die muskuläre Belastung ist beim Eishockey hoch.“ In der jetzigen Situation der Serie der Eisbären wäre es schon normal, dass die Berliner muskulär erschöpfter seien als ihr Gegner. „Darunter leidet auch die Explosivität und die Schnellkraft. Beides sind in dieser Sportart ganz wichtige Faktoren.“ Dass in solchen Konstellationen oft auch davon gesprochen wird, dass eine Mannschaft mehr „im Saft“ stehe als eine andere, die weniger gespielt hat, solle nicht irritieren, sagt Dolla. „Es ist natürlich oft so, dass die Automatismen bei einer Mannschaft, die viel spielt, besser greifen.“ Laufwege der Kollegen und im Eishockey zum Beispiel das Powerplay, seien eben so Situationen, die bei der häufiger spielenden Mannschaft besser klappen würden.

Davon kann allerdings im Fall der Eisbären nicht die Rede sein, ihre Erfolgsquote im Powerplay liegt in den Play-offs bei 11,48 Prozent, München dagegen trifft in jedem vierten Überzahlspiel ins Tor (25 Prozent). In Unterzahl verhindern die Bayern fast immer einen Gegentreffer, die Abwehrquote liegt bei fast 96 Prozent. Bei den Eisbären sieht es viel schlechter aus bei numerischer Unterlegenheit (nur 84 Prozent Erfolgsquote).

Es spricht also manches für München vor dem vierten Spiel, allerdings sieht Sportmediziner Dolla nun bei den Eisbären ein wenig Land. Dadurch, dass die Berliner endlich einmal zwei Tage Spielpause und zudem noch einen Tag frei bekommen hätten, könnten sie am Freitag im Heimspiel wieder etwas aufgeweckter sein. „Der freie Tag war absolut eine gute Maßnahme“, sagt Dolla. In der modernen Lehre gehe man auch längst so weit, einzelne Spieler mal vom Training zu befreien, wenn sie überansprucht seien. In diesem Fall sei natürlich quasi die ganze Mannschaft betroffen, die Ersatztorhüter und nicht immer spielenden Profis ausgenommen.

Die Grundlagen für die Kondition werden ohnehin vor einer Saison gelegt, sagt Dolla. Beklagen über Müdigkeit gelte nicht, wenn die Grundlagen stimmen würden, denn: Dafür gebe es ja auch die Hauptrunde in der DEL. Da könne sich ein Team an einer Zusatzbelastung wie den Pre-Play-offs vorbei spielen. Offensichtlich hat das München souverän geschafft als Tabellenerster, die Eisbären überzeugten in der Hauptrunde weit weniger und wurden daher nur Achter.

Das Spiel gegen Dänemark verloren die Deutschen bei der WM im Mai 2011 übrigens einen Tag nach dem schlauchenden Spiel gegen Finnland (O-Ton Hördler: „Das Spiel war ein Knüppel“) 3:4 – nach torloser Verlängerung, im Penaltyschießen. Aber: Das müsste für die Eisbären ja nicht schlecht sein, wenn sie bis in die Verlängerung kommen gegen München am Freitag. Denn von fünf Verlängerungen haben sie in den laufenden Play-offs vier gewonnen .

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