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Sport: Eishockey: Die Illusion vom friedliebenden Fan

Ende der neunziger Jahre waren die Berliner Eisbären so etwas wie ein Mikrokosmos, in dem all das funktionierte, was im restlichen Deutschland schiefging: Ausländer-Integration, Zusammenwachsen von Ost und West, wirtschaftlicher Aufstieg aus den Ruinen der Planwirtschaft. Zudem erfreute sich der Eishockeyverein einer Zuschauerschaft, die trotz kurzer Haare so ganz anders war als der Mob, der die ostdeutsche Platte regierte.

Ende der neunziger Jahre waren die Berliner Eisbären so etwas wie ein Mikrokosmos, in dem all das funktionierte, was im restlichen Deutschland schiefging: Ausländer-Integration, Zusammenwachsen von Ost und West, wirtschaftlicher Aufstieg aus den Ruinen der Planwirtschaft. Zudem erfreute sich der Eishockeyverein einer Zuschauerschaft, die trotz kurzer Haare so ganz anders war als der Mob, der die ostdeutsche Platte regierte. Ein Oscar-Preisträger drehte einen abendfüllenden Dokumentarfilm über das Phänomen Eisbären, der Bundespräsident ging ebenso ins Stadion wie Gregor Gysi. Kurzum: Wenn denn die Landschaften im Osten irgendwo so blühten, wie es Helmut Kohl vor zehn Jahren prophezeiht hatte, dann im Osten Berlins, in den Häuserschluchten von Hohenschönhausen.

Das ist nicht einmal zwei Jahre her und doch unendlich weit weg. Dass der wirtschaftliche Erfolg bei den Eisbären auf Pump finanziert wurde - gut, das kommt in den besten Unternehmen vor. Die ausländischen Spieler wurden bei anfänglichen Misserfolgen als erste ausgepifffen - auch nachzuvollziehen, schließlich verdienen sie das meiste Geld. Am Sonntag nun ist eine weitere Illusion zerstört worden, die vom friedliebenden Ost-Fan. Hass herrschte in Hohenschönhausen, und er richtete sich gegen die verantwortlichen Funktionäre, Peter John Lee und Martin Müller. Die beiden haben Fehler gemacht, schlechte Spieler verpflichtet und dazu einen überforderten Trainer. Dafür haben sich Müller und Lee zu verantworten, auch vor den Fans. Deren Kritik begann mit Sprechchören - und mündete in einer Hetzjagd, erst im Stadion, später dann auf den Straßen des Berliner Ostens.

Natürlich waren das die Ausfälle einiger weniger, aber auch die wären noch vor kurzem undenkbar gewesen. Sie standen stellvertretend wie die gesamte aggressive Atmosphäre gegenüber den vermeintlichen Usurpatoren aus dem Westen, denen die Fans offen unterstellen, sie wollten den Verein kaputt machen. Dazu haben sie gebrüllt: "Wir sind das Volk" - und wahrscheinlich gar nicht darüber nachgedacht, dass dies das Motto der friedlichsten aller Revolutionen war, die es im zwanzigsten Jahrhundert gegeben hat (und ebenfalls im Osten Deutschlands stattfand).

Die Geschichte wiederholt sich eben doch nicht immer.

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