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Ziganschina

© dpa

Eiskunstlauf: Deutsche aus Moskau

Die Eistänzer Gazsi/Ziganschina starten auch bei der WM, obwohl sie nur Deutsche Vizemeister sind. Aber die Meister fallen aus.

Die Lightshow zeichnete pittoreske rote Muster aufs Eis, der Scheinwerferkegel fing den großgewachsenen Mann ein, der breite Hosenträger zu den Jeans trug, und die zierliche Frau mit den langen Haaren, die neben ihm übers Eis glitt. Dazu dröhnten aus den Boxen der Arena von Hannover Popmusik. Auf den Rängen saßen 10 000 Zuschauer und klatschten begeistert. Sie waren zum letzten Auftritt der Eiskunstlauflegende Katarina Witt gekommen. Und die hatte 16 ehemalige und aktive Eisläufer zu ihrer Gala eingeladen. Robin Szolkowy und Aljona Sawtschenko waren da, die Europameister im Paarlauf und Goldkandidaten bei der Weltmeisterschaft in Göteborg, die heute beginnt. Und Katarina Witt hatte auch das Eistanzpaar zu ihrer Gala geladen, das gerade übers Eis glitt: Alexander Gazsi aus Berlin und Nailja Ziganschina aus Chemnitz.

Für sie war das an diesem 4. März vor allem viel Spaß, sie hatten ja nichts mehr groß vor in dieser Saison. Sie konnten nicht ahnen, dass sie gerade quasi eine Generalprobe für ihren größten sportlichen Auftritt absolvierten: Gazsi/Ziganschina starten auch bei der WM, obwohl sie nur Deutsche Vizemeister sind. Aber Christina und William Beier, die Deutschen Meister, fallen aus. William Beier leidet unter einer Sehnenscheidenentzündung am Fuß. Die Deutsche Eislauf-Union (DEU) nominierte kurzfristig Gazsi/Ziganschina nach.

Eine Ersatzlösung natürlich, und natürlich haben sie keine Chance bei der WM. Aber sie sind nicht bloß reine Lückenfüller, nicht mehr. „Sie haben in dieser Saison enorm aufgeholt“, sagt William Beier, „sie haben am Ausdruck gearbeitet.“ Und Reinhard Ketterer, der Leitende Landestrainer von Berlin, sagt: „Die Nailja ist eine der besten Eistänzerinnen, die Deutschland je gesehen hat.“ Gazsi sagt: „Wir geben unser Bestes.“ Die DEU würde die Beiden nicht zur WM schicken, wenn sie den Verband blamieren würden. Gazsi/Ziganschina ist eines der ungewöhnlichsten Paare, die es im deutschen Eistanz je gab. Die beiden leben im Grunde genommen in Moskau. Ihre Geschichte begann 2005. Damals überlegte sich Alexander Gazsi vom SC Berlin, ob er überhaupt noch Eistänzer war. Seit neun Monaten hatte er keine Partnerin. Sandra Grissmann hatte er verloren, ein Ersatz in Deutschland war nicht in Sicht.

Reinhard Ketterer, DEU-Sportdirektor Udo Dönsdorf und Siegfried Paul von der Universitätssportgemeinschaft Chemnitz sorgten dafür, dass Gazsi in Moskau eine neue Partnerin fand. Dort hatte Nailja Ziganschina ihren Partner Denis Bazdirew verloren – die Beiden hatte einfach nicht mehr harmoniert. Solche internationalen Deals sind nicht selten. Aber im Fall Gazsi waren die Finanzen ein Problem. Irgendjemand musste das alles bezahlen, die DEU aber hatte kaum Geld.

Da kam Paul ins Spiel. Er nahm die junge Russin in seinen Uni-Klub auf, er half ihr, als die damals 19-Jährige ihren Wohnsitz formell in Chemnitz anmeldete und beteiligte sich an den anfallenden Kosten. Der russische Verband kassierte schließlich 5000 Euro Ablöse. Ziganschina hatte sich noch ein Touristenvisum für Deutschland beschafft. Einen deutschen Pass benötigt die Russin nicht, weil den nach den Regeln nur ein Teil des Paares haben muss.

Zum Training zog das Paar nach Moskau. Dort stehen die Beiden mit drei Paaren der Meisterklasse und drei Juniorenpaaren auf einer Eisfläche. Diese Kämpfe formen Gazsi und Ziganschina, sie fördern Nervenstärke und Selbstbewusstsein. Sie sorgen dafür, dass das deutsche Paar in Göteborg nicht das Gefühl hat, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.

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