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© dpa

Eiskunstlauf: Eine aufgewühlte Szene

Der Selbstmordversuch des Eiskunstläufers Sascha Rabe erregt Besorgnis und erzeugt Hilfsangebote im ganzen Land.

Eine besorgte Mutter aus Stuttgart meldete sich schon am frühen Morgen. Dann kamen immer mehr, Mütter, Väter, Eltern von jungen Eiskunstläufern, sie riefen aus Mannheim, München, Dortmund an, aus ganz Deutschland also. Und alle hatten die gleiche Frage: Wie geht es Sascha Rabe? Was kann man tun? Wie kann man helfen? Am Telefon in seinem Büro saß Reinhard Ketterer, der Leitende Landestrainer im Eiskunstlauf von Berlin, und er konnte gestern immer nur sagen: „Sascha geht es den Umständen entsprechend gut.“ Und wirklich helfen können ihm jetzt nur seine Familie, sein Partner, seine Freunde, seine Therapeutin. Und Ketterer ein wenig, mit gutem Zuspruch. Der Trainer Ketterer ist eine Vertrauensperson für den Eistänzer Rabe.

Der Selbstmordversuch von Sascha Rabe, dem 23-Jährigen aus Berlin, hat die ganze Eislauf-Szene aufgeschreckt. Rabe wirft Udo Dönsdorf vor, er habe ihn sexuell belästigt. Der Sportdirektor der Deutschen-Eislauf-Union (DEU) bestreitet das energisch. Ein „kurzer Kuss“, mehr sei nicht passiert. Aber Rabe erhielt vor kurzem Post von der DEU, er sollte unter anderem, auf einem üblichen Formblatt, die DEU-Ärzte von der Schweigepflicht entbinden – auch gegenüber Dönsdorf. „Das hat ihn am meisten aufgewühlt“, sagt Ketterer. Er hat mit dem Eistänzer am Dienstagabend telefoniert. Rabe hatte vor Monaten schon ausdrücklich darum gebeten, dass Dönsdorf nicht mehr direkt mit ihm in Kontakt tritt.

Nachdem er dieses Schreiben gelesen habe, sagt Rabes Anwältin Karla Vogt-Röller, habe der 23-Jährige versucht, sich mit Alkohol und Tabletten umzubringen. Alle Briefe sind von Dönsdorf und DEU-Leistungssportreferent Daniel Wandersleb unterschrieben. „Sehr unklug“, nannte dies Ketterer. „Diese Briefe hätte auch Wandersleb allein unterschreiben können.“ Weder Dönsdorfs Anwalt noch DEU-Vizepräsident Uwe Harnos waren gestern zu erreichen.

Schon in der vergangenen Woche hat Walter Bergmann, der Präsident des Berliner Eissportverbands, den Auftrag erhalten, die DEU-Führung nachdrücklich um Aufklärung des Falls zu bitten. Auftraggeber sind je ein Vertreter von Rabes Verein Berliner TSC und der Sparte Eiskunstlauf des Berliner Eissportverbands. Sie möchten vor allem wissen, ob der ominöse Vorfall in einem Berliner Hotel in Dönsdorfs Freizeit oder im Rahmen einer Dienstreise stattgefunden hatte. Für Harnos ist klar: Dönsdorf habe sich privat mit Rabe getroffen.

Die Berliner Trainerin Viola Striegler ist wegen des Suizidversuchs „völlig aufgelöst“. Sie hatte Rabe oft auf dem Eis gesehen, sie hatte gedacht, er habe sich stabilisiert. Für sie hat der dramatische Vorfall eine besonders emotionale Note. Sven Meyer, einer ihrer Athleten, hatte sich 1999 aufgrund persönlicher Probleme erschossen. Sie stand dem Fall Rabe/Dönsdorf immer neutral gegenüber, weil „die Unschuldsvermutung gilt“. Aber jetzt „sollte Dönsdorf im Moment gar keinen Kontakt zu den Athleten haben. Seine Autorität ist im Moment doch völlig weg.“

Auch Frieder Dieck empfiehlt Dönsdorf, „erstmal in seinem Kämmerlein zu bleiben“. Der Vize-Präsident des Landesverbands Nordrhein-Westfalen empfindet sich auch als neutral („Ich weiß nicht, ob Dönsdorf schuldig ist“), aber ihn ärgert, dass er von der DEU keine Detailinformationen erhalten habe. „Der jetzige Zustand ist völlig inakzeptabel.“ Er arbeitet daran, dass eine Außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen wird. Und der Umstand, dass Rabe ausgerechnet gegenüber Dönsdorf die Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbinden sollte und der Sportdirektor die DEU-Post unterschrieben hatte, macht ihn regelrecht fassungslos. „Es entzieht sich meiner Vorstellungskraft, wie man so blöd sein kann.“

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