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Peter Liebers.

© ddp

Eiskunstlauf: Tanzkurs in Kanada

Peter Liebers will in die Eiskunstlauf-Weltspitze. Sein Programm hat er ästhetisch aufgewertet. In Kanada lernte Liebers völlig neues Arbeiten kennen.

Am liebsten sind ihm die Leute, die keine Ahnung haben. Verwandte, Freunde, Bekannte, die halt sehen, dass da einer übers Eis gleitet oder springt, die aber einen Flip nicht von einem Axel unterscheiden können. Eben Leute, die Eiskunstlauf als rein ästhetische Geschichte betrachten. „Irgendwie läufst Du anders, eleganter als früher“, haben sie ihm in den vergangenen Monaten gesagt. Liebers hat dann gegrinst und genickt. Es stimmt ja, der Peter Liebers, der immer ein wenig ungelenk auf dem Eis auftrat, den gibt es nicht mehr.

Bei den deutschen Meisterschaften der Eiskunstläufer lässt sich das auch in Zahlen ausdrücken: Peter Liebers führt nach dem Kurzprogramm am Freitagabend mit 74,67 Punkten. Und er sagt selbst: „Ich bin sehr schön gelaufen.“

Viola Striegler kann sehr gut erklären, was sich verändert hat. Sie ist Liebers’ Trainerin. „Seine Pirouetten sind schwieriger geworden, die ganzen Schrittfolgen sind viel besser als früher.“ Peter Liebers vom SC Berlin ist Titelfavorit in Oberstdorf, aber er ist so gelassen, dass er meint: „Mit der Favoritenrolle habe ich mich gar nicht so befasst“. Auf seinem langen Weg nach oben ist Liebers einen großen Schritt weitergekommen, reifer geworden. „Ich will in die Weltspitze“, sagt der 22-Jährige.

Der Weltspitze ist er zumindest näher gekommen. Platz neun beim Grand Prix in Peking, Platz sieben in Paris, gewaltig ist das noch nicht. Aber bedeutsamer ist, dass Liebers einen enormen Fortschritt bei seiner größten Schwäche gemacht hat: seiner Ausstrahlung. „Da hatte er enorme Reserven, da hat er jetzt ganz beträchtlich aufgeholt“, sagt Striegler.

Dieser Fortschritt hat sehr viel mit zwei Namen zu tun: Shin Amano und Lori Nichol. Zwei Choreografen von Weltklasse. Im Mai ist Liebers zu den beiden Szene-Stars nach Kanada geflogen. Drei Wochen lang sollten sie mit ihm arbeiten. Es war die Reaktion auf enormen Frust. Bei der WM 2010 hatte Liebers mal wieder gepatzt, danach verkündete er grimmig: „Jetzt muss etwas passieren.“

Ein Trip nach Kanada, das passierte. Dort lernte Liebers ein völlig neues Arbeiten kennen. Der Japaner Amano kümmerte sich um die Kür, Nichol ums Kurzprogramm. Liebers sucht die Musik aus, der Choreograf kreiert dazu den entsprechenden Auftritt – so kannte Liebers das von Deutschland. Aber in Kanada sollte er gleich die Choreografie entwickeln, der Experte half dabei. „Gewöhnungsbedürftig“ nennt das Liebers.

Aber noch viel gewöhnungsbedürftiger war, dass er mal 45 Minuten lang auf nur vier Quadratmetern einfach nur nach eigenem Gusto laufen sollte. Amano schaute zu und erkannte „sofort, welche Bewegungen am besten zu mir passen“ (Liebers). Diese Bewegungen übernahm er dann in die Choreografie. „Das ist ein komplett anderer Weg als bei uns“, erzählt er begeistert. Mit den Experten entwickelte Liebers Details, die ihn selbst am meisten überraschten. „Ich habe jetzt Schrittfolgen, von denen ich nie gedacht hätte, dass ich sie kann“, sagt der Berliner. Den Anlauf zu seiner ersten Sprungkombination im Kurzprogramm hat er jetzt ästhetisch enorm aufgewertet. „Früher wäre ich quasi einfach geradeaus gelaufen und dann gesprungen, jetzt dagegen sieht der Anlauf toll aus.“ Der Preis dafür war allerdings ziemlich hoch. Liebers stürzte in einem Drei-Stunden-Trainingsabschnitt so oft aufs Eis wie in Berlin in einem halben Jahr nicht.

Im September flog er nochmal eine Woche zu den beiden, quasi zur Überprüfung. „Das Feedback war sehr gut“, berichtet Liebers. Die Choreografen waren zufrieden. Im Februar wird Liebers zum dritten Mal nach Kanada fliegen. Dazwischen wird in Berlin die Vorarbeit von Amano und Nichol verfeinert. Inzwischen ärgert es ihn, dass er „nicht früher diese Geschichte mit Kanada gemacht hat“. Andererseits: „Vor zwei Jahren hätte ich nie daran gedacht, überhaupt dorthin zu fliegen.“

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