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Eisschnelllauf: Der lange letzte Lauf der Anni Friesinger

Bei ihrem Abschied von der Olympia-Einzelkonkurrenz wird die Eisschnellläuferin enttäuschende Neunte. Dennoch hofft sie auf einen Einsatz in der Teamstaffel – die Chancen dafür stehen aber schlecht

Anni Friesinger-Postma trat genau in dem Moment aus dem Richmond Olympic Oval hervor, als auf den Bildschirmen über ihrem blonden Haupt die Siegerehrung für das Rennen über 1.500 Meter zu sehen war. Die 33-jährige Friesinger schluckte kurz, warf einen Blick auf die frisch dekorierten Kolleginnen Ireen Wüst (Niederlande, Gold), Kristina Groves (Kanada, Silber) und Martina Sablikova (Tschechien, Bronze) und meinte dann wehmütig: „Da oben würde ich jetzt auch gerne stehen.“

Dieser Wunsch hatte sich jedoch kurz zuvor bei ihrem allerletzten olympischen Einzelrennen klar zerschlagen. Die Olympiasiegerin von 2002 über diese Distanz war am Ende Neunte, mit deutlichen 0,71 Sekunden Rückstand auf Platz drei, den sie sich für Richmond als das höchste aller Gefühle ausgemalt hatte. Anders als drei Tage zuvor über 1000 Meter unterlief Friesinger diesmal auch kein technischer Fehler, dem sie die fehlenden Zehntelsekunden in die Schuhe hätte schieben können. Vielmehr fasste sie den Nachmittag vor der Rückfahrt ins olympische Dorf nüchtern zusammen: „Ich hab’s probiert. Aber man hat halt gemerkt, dass ich das fehlende Training nicht so einfach aufholen kann.“

Recht barsch reagierte Gerd Heinze auf das Ergebnis der noch immer bekanntesten Athletin unter Deutschlands Eisschnellläufern. „Das war nichts“, knurrte der Verbandschef, den Friesinger kurz vor den Spielen arg gereizt hatte, als sie ankündigte, sich nicht von dem in den Pechstein-Fall verwickelten offiziellen Olympia-Arzt Gerald Lutz an ihrem maladen Knie behandeln zu lassen. Mehr wollte Heinze dazu am Sonntag nicht sagen. Das übernahm dafür, trotz der neuerlichen Enttäuschung, die Läuferin selbst.

Friesinger will unbedingt im Team laufen

Schließlich gibt es für sie ja immer noch etwas zu gewinnen in Vancouver. Zwar keine Einzelmedaille mehr, dafür steht in der Einzelkämpferdisziplin Eisschnelllaufen seit vier Jahren der Team-Wettbewerb im olympischen Programm. Für Friesinger, die am Wochenende vergeblich auf einen Kurzbesuch ihres Gatten in der Olympia-Stadt hoffte, ist es die Chance, sich ein hübsches Trostpflaster auf die geschundene Sportlerinnenseele kleben zu können. In Turin, unter anderem in einer Mannschaft mit ihrer Dauerrivalin Claudia Pechstein, gewann sie Gold. Und nun will sie sich eben den Abschied von ihren letzten Winterspielen noch versüßen.

Dass sie ins Team gehört, machte Friesinger auch gleich deutlich. Stephanie Beckert, die Silbermedaillengewinnerin über 3000 Meter, dürfte bei dem finalen Wettbewerb der Eisschnellläuferinnen am Freitag und Samstag ebenso gesetzt sein wie ihre Erfurter Klub-Kollegin Daniela Anschütz-Thoms, die auf derselben Strecke um 0,03 Sekunden an Bronze vorbeigerutscht war. Darüber hinaus erkennt Friesinger keine Pflichtbesetzungen und erklärt: „Ich gehe davon aus, dass ich starten werde.“ Am Abend allerdings musste sie erfahren, dass Bundestrainer Markus Eicher zum Auftakt der Team-Verfolgung auf sie zu verzichten gedenkt: „Sie ist nicht in Topform.“ Er wolle noch die 5000 Meter abwarten, aber im Moment sei Katrin Mattscherodt in der besseren Position für die vakante Teamstelle. Eventuell könnte Friesinger aber im Verlauf des Wettbewerbs zum Einsatz kommen.

Ihr letztes Einzel bei ihren vierten Olympischen Spielen wird sich jedoch nicht ins Langzeitgedächtnis eingraben. „Ich habe alles versucht, ich kann mir nichts vorwerfen“, sagte Friesinger, nachdem sie sich von Ehemann Ids Postma einmal mehr via Handy hatte aufmuntern lassen – und erläuterte: „Ich wollte alles, aber es fehlte jede Power. Das ist nicht die Anni Friesinger, die ich kenne.“ Sprach’s und blickte noch einmal hinauf zum Bildschirm, wo die Siegerehrung allerdings längst über die Bühne gegangen war.

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