zum Hauptinhalt

Eklat: China boykottiert Eröffnungsfeier der World Games in Taiwan

Mit 77 Athleten ist die chinesische Mannschaft vom Festland auf die Insel gereist. Doch hinter einer Fahnenträgerin kam - niemand. China wollte kein Zeichen geben, dass als Anerkennung für die Souveränität Taiwans gewertet werden könnte. Der Gastgeber musste unter dem Namen "Chinese Taipei" einlaufen.

Eine Welle des Raunens und Murmelns rollt durchs Stadion, sie löst sich erst in ein bisschen verlegenem Applaus auf. Gerade haben die Stadionsprecher den 40 000 Zuschauern bei der Eröffnungsfeier der World Games die Mannschaft der Volksrepublik China angekündigt. Durch ein Tor trägt auch eine junge Dame die rote Fahne der Volksrepublik ins Stadion von Kaohsiung, doch dahinter läuft – niemand. Die wichtigsten Gäste sind nicht zur Feier erschienen.

Das war die erste Enttäuschung bei diesen World Games in Taiwan. Immerhin mit 77 Athleten ist die chinesische Mannschaft vom Festland auf die Insel gereist, aber zu sehen sein werden sie erst, wenn an diesem Freitag die Wettbewerbe losgehen. Mehr als 4000 Athleten werden sich dann bis zum 26. Juli in 31 Sportarten messen, die aus welchen Gründen auch immer keinen Platz im olympischen Programm gefunden haben, Tanzen etwa, Faustball, Frisbee, Rugby, Karate oder Tauziehen. Die 32. Disziplin bei diesen Spielen ist die Politik.

Die Feier hat Festlandchina boykottiert, weil der Präsident Taiwans Ma Ying-jeou die World Games eröffnen wollte und es auch getan hat. Und weil er auch noch als Präsident der „Republik China“ vorgestellt werden sollte. Unter seinen Augen ins Stadion zu laufen hätte als Anerkennung der Souveränität Taiwans gewertet werden können, das hatte die Volksrepublik befürchtet. Dann lieber den Gastgeber brüskieren.

Dahinter steckt chinesische Geschichte. Die Volksrepublik China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz, Taiwan dagegen sieht sich als Statthalterin der Republik China, die 1911 auf dem Festland gegründet wurde und das Kaiserreich ablöste. Als jedoch Maos Armee nach dem Zweiten Weltkrieg in China die Oberhand behielt, flohen die Anhänger der Republik China unter Führung von Chiang Kai-Shek nach Taiwan.

Mit den World Games, dem ersten großen, internationalen Sportereignis im Land, will Taiwan nun die Welt stärker auf sich aufmerksam machen. Wenn Peking die Olympischen Spiele ausrichten kann, dann Taiwan wenigstens die World Games, damit es nicht vergessen wird neben dem großen China. Und es ist auch kein Zufall, dass die Spiele nicht in Taiwans Hauptstadt Taipeh stattfinden, sondern in der zweitgrößten Stadt Kaohsiung. Dort regiert die DPP, die Demokratische Fortschrittspartei, sie will mehr Unabhängigkeit von der Volksrepublik China. Die anderen Spiele im anderen China, das soll die Botschaft sein.

Vor dem Stadion demonstrieren daher Anhänger der DPP für die Unabhängigkeit Taiwans, sie verteilen Fächer mit dem Motto „One Taiwan, one China“. Sie protestieren außerdem gegen den Präsidenten Taiwans Ma, er sei das trojanische Pferd Chinas. Außerdem hat sich eine Gruppe von Tibetern mit Fahnen vor dem Stadion eingefunden. Drinnen, begleitet von ohrenbetäubendem Jubel, läuft die Mannschaft Taiwans hinter einer eigenen Fahne mit den olympischen Ringen ein und darf sich nur „Chinese Taipei“ nennen. Das ist die Abmachung mit der Volksrepublik.

Als der damalige Bürgermeister von Kaohsiung vor vier Jahren bei den World Games in Duisburg die Spiele übernehmen sollte, sprach er von „Taiwan“. Die „International World Games Association“ drohte danach sogar damit, Kaohsiung die Spiele wieder wegzunehmen. Der Bürgermeister entschuldigte sich. „Wir möchten keinen Ärger provozieren“, sagt Chen Hsien-Chung. Er ist der ranghöchste Beamte in der Sportverwaltung Taiwans und darf sich stellvertretender Minister nennen. Solange sein Land eben als Chinese Taipei auftreten soll, werde es das auch tun, sagt Hsien-Chung.

Bei der Zeremonie im für 140 Millionen Euro neu gebauten Stadion aber haben auch andere das Wort, zum Beispiel Chen Chu, die Bürgermeisterin von Kaohsiung. Die resolute Frau ruft: „Möge kein Land aus der internationalen Gemeinschaft ausgeschlossen werden.“ Die World Games sind jedenfalls eröffnet.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false