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Schwarz-weiß-arabisch. Die WM-Elf 2010 blamierte Frankreich durch Disziplinlosigkeiten – verbandsintern werden schwarze und muslimische Spieler für die Probleme verantwortlich gemacht.

© dpa

Elf Weiße sollt ihr sein: Frankreichs Fußballverband unter Rassismus-Verdacht

Einst symbolisierte die Nationalelf die vorbildliche französische Integration – doch nun sollen Offizielle und Nationaltrainer Laurent Blanc eine Quotenregelung bei Jugendspielern mit Migrationshintergrund geplant haben.

„In dieser Mannschaft sind von elf Spielern neun Schwarze. Normal wären drei oder vier.“ Mit dieser Aussage über die eigene Fußballnationalelf provozierte ein Provinzpolitiker vor ein paar Jahren einen Skandal in Frankreich. Mittlerweile scheinen Führungskräfte des französischen Fußballverbands, darunter Nationaltrainer Laurent Blanc, genau diese Ansicht zu teilen. Die renommierte Onlinezeitung „Mediapart“ berichtete am Donnerstag, der Verband wolle in seinen Ausbildungszentren die Anzahl der Spieler mit Migrationshintergrund senken, um in der Nationalmannschaft weniger Schwarze und Araber zu haben. Am Freitag forderte Sportministerin Chantal Jouanno vom Verband „FFF“ eine Untersuchung der Vorwürfe, was Verbandspräsident Fernand Duchaussoy auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz sofort zusagte. Nicht ohne die Vorwürfe aufs Schärfste zurückzuweisen – ebenso wie Laurent Blanc auf einer zweiten Pressekonferenz in Bordeaux. Am Abend aber wurde der Technische Direktor des FFF, François Blaquart, mit sofortiger Wirkung suspendiert.

Gestern nun legte „Mediapart“ Beweise vor. Und die haben es so sehr in sich, dass man sagen muss: Den französischen Fußballverband erschüttert ein Skandal, der womöglich die peinliche Vorstellung bei der Weltmeisterschaft in Südafrika samt Trainingsstreik noch übertreffen wird. Dieses Fazit legt die Lektüre der wortgetreuen Wiedergabe einer Verbandssitzung vom 8. November 2010 nahe, die die Onlinezeitung veröffentlichte.

Was plante Nationaltrainer Laurent Blanc?
Was plante Nationaltrainer Laurent Blanc?

© AFP

Die Diskussion drehte sich demnach um Nachwuchsspieler mit doppelter Staatsbürgerschaft. In den vergangenen Jahren soll die zentrale Fußballschule des Verbandes in Clairefontaine bei Paris nur vier Nationalspieler für Frankreich, aber 26 für andere Länder, besonders für ehemalige Kolonien, hervorgebracht haben. Der Trainer der U-21-Nationalelf, Erick Mombaerts, schlägt vor: „Gehen wir das Problem an und begrenzen bei der Aufnahme (in die Ausbildungszentren, d. Red.) die Anzahl der Jungs, die die Nationalität wechseln können?“ Laurant Blanc antwortet: „Ich befürworte das vollkommen.“ Daraufhin versichert der für die Spielerausbildung verantwortliche Blaquart: „Wir können das organisieren, unausgesprochen, mit einer Art Quote.“ Ein Höchstanteil von 30 Prozent an Spielern mit doppelter Nationalität steht im Raum – aktuell liege der Anteil bei 45 Prozent.

Aber wie erreicht man diese Quote „unausgesprochen“? Laurent Blanc empfiehlt, bei der Sichtung von Jugendlichen stärker auf Technik als auf Athletik zu achten. Nachdem er betont hat, nichts gegen Schwarze zu haben, sagt Blanc: „Wer sind derzeit die Großen, Robusten, Kräftigen? Die Schwarzen (…). Ich glaube, dass wir uns neu ausrichten müssen, vor allem bei den 13- bis 14-jährigen und den 12- bis 13-jährigen Jungen. Dass wir andere Kriterien haben müssen, unserer eigenen Kultur angepasst (…). Die Spanier haben mir gesagt: ,Wir haben keine Probleme. Wir haben keine Schwarzen.“

Der polnischstämmige Nachwuchstrainer Francis Smerecki protestierte während der Sitzung und sprach von Diskriminierung – laut „Mediapart“ als Einziger der 20 Teilnehmer. Es würde ins Bild passen: Viele im Verband sollen schwarze und muslimische Spieler wie Evra, Abidal, Anelka und Ribéry explizit für den Trainingstreik in Südafrika verantwortlich gemacht haben. Dabei hat der französische Fußball immer von Einwanderung profitiert, davon zeugen allein seine Ikonen: der polnischstämmige Raymond Kopa, der italienischstämmige Michel Platini und zuletzt Zinédine Zidane mit algerischen Wurzeln. Wie überhaupt die gesamte Generation „Black-blanc-beur“ („Schwarz-weiß-arabisch“), die 1998 Welt- und 2000 Europameister wurde und als Illustration für den Erfolg des französischen Integrationsmodells galt.

Doch das politische Klima hat sich in Frankreich radikal geändert. Die rechtsextreme Front National liegt in Umfragen weit vorne, und der Innenminister tönt, die Franzosen fühlten sich manchmal fremd im eigenen Land. Somit entspreche der aktuelle Skandal leider nur zu gut dem Zeitgeist, sagte der Soziologe Philippe Bataille dem Radiosender France Culture.

Matthias Sander

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