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Sport: Elite in die Produktion!

Wolfram Eilenberger erklärt, warum das deutsche Tennis nicht vorankommt Wir fordern nachhaltig einen Innovationsgipfel! Wir fordern eine bundesweite Elitediskussion ohne ideologische Vorbehalte!

Wolfram Eilenberger erklärt, warum das deutsche Tennis nicht vorankommt

Wir fordern nachhaltig einen Innovationsgipfel! Wir fordern eine bundesweite Elitediskussion ohne ideologische Vorbehalte! Und ein erster wichtiger Schritt zurück an die Weltspitze besteht in der Schaffung von Akademien und Ausbildungszentren nach amerikanischem Vorbild!

Hätte man es auf ein Führungsamt im Deutschen Tennis Bund abgesehen, dann wäre es wohl jetzt an der Zeit, solche und ähnliche aktionistische Parolen von sich zu geben. Bisher hat sich zwar noch kein Funktionär gemeldet. Aber das dürfte nur eine Frage von Tagen sein. Seit Jahren ist die Krise im deutschen Tennis der eigentliche Normalzustand. Und nie war das kollektive Versagen so augenfällig wie heute. Miserabel wie seit dreißig Jahren nicht schnitten die deutschen Tennisprofis bei den Australian Open ab. Während die Nation im australischen Dschungel beim Käferfressen mitfieberte, erstarb die deutsche Tennisherrlichkeit mit der kläglichen Zweitrundenniederlage eines gewissen Herrn Mayer (nie gehört, nie gesehen). Das eigentlich Fatale an dieser Situation liegt dabei weniger in den trüben Resultaten, als in der vollkommenen Gleichgültigkeit, die den Totalausfällen mittlerweile entgegengebracht wird. Nicht nur die Leistungsfähigkeit befindet sich wieder auf dem Stand von 1974, sondern auch die öffentliche Wahrnehmung.

Die deutsche Tenniskrise dient als Lehrstück strukturellen Versagens, waren die Voraussetzungen doch durchaus brillant. Seit der Explosion von 1985, als zwei Teenager aus der badischen Provinz an die Weltspitze stürmten, fehlte es dem Verband weder an Geld, Willen, Trainern noch an erfolgshungrigen Jungspunden beziehungsweise gierigen Eltern. Nur rausgekommen ist nichts. Nicht ein einziger Weltklassespieler in 20 Jahren! Wie Boris Becker, der als Junior bekanntlich für nicht förderungswürdig befunden wurde, musste sich selbst eine Arbeitsikone wie Rainer Schüttler fern der offiziellen Strukturen in die Spitze kämpfen.

Fast könnte man daher auf den Schluss verfallen, wahre Genies und Weltspitze ließen sich nun einmal nicht produzieren und planen, sondern ihr Auftreten unterliege vielmehr dem launischen Schwanken der Natur, die uns mal mit genialen Begabungen überschüttet und sich dann wieder auf Jahrzehnte hinaus ins Mittelmaß zurücklehnt. Eine schöne, eine romantische und damit ziemlich deutsche These. Nirgendwo scheint sie abwegiger als im Tennis. Die quasi-maschinelle Produktion in den Talentlagern Bollettieris beweist ein Gegenteil. Das ist zwar keine angenehme, aber eine realistische Alternative. Der Ball fliegt in jedem Fall zurück ins Feld der Funktionäre. Und mit ein paar populären Phrasen von Innovation und amerikanischen Leitbildern wird es jetzt, wo es mit dem Geld, dem Boom und dem Talenthunger gehörig hapert, kaum noch zu richten sein.

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