zum Hauptinhalt
Verschwommen sind die EM-Start-Aussichten für Jerome Boateng (links). Joachim Löw war schockiert über die Verletzung seines Abwehrchefs.

© dpa/Gebert

EM-Einsatz in Gefahr?: Ausfall von Jerome Boateng: Der deutsche Achsenbruch

Die Verletzung von Innenverteidiger Jerome Boateng trifft den FC Bayern sofort und massiv – und auch Bundestrainer Löw treibt vor der Europameisterschaft in Frankreich eine große Sorge.

Joachim Löw versuchte Optimismus auszustrahlen. Doch so ganz gelang das dem Bundestrainer nicht. Löw hatte am Montag die Spieler der Nationalmannschaft in München versammelt, ohne dass ein Länderspiel ansteht. Und doch hat dieses Januartreffen Tradition. Gerade in so genannten Turnierjahren. Neben einigen Marketingaktivitäten nutzt Löw diese Termine für ein kollektives Einschwören auf den Höhepunkt im nachlaufenden Sommer. Aber wie geht das, wenn eine Nachricht über einen hereinbricht, die eher einen Tiefpunkt darstellt?

Es ist die Nachricht von der Verletzung Jerome Boatengs. Nach den jüngsten Untersuchungen wird der Nationalverteidiger vom FC Bayern München mindestens drei Monate ausfallen, vielleicht auch vier. Zwar sollte seine Teilnahme an der Europameisterschaft in Frankreich (10. Juni bis 10. Juli) nicht gefährdet sein, wie Oliver Bierhoff es in München sagte. Aber es war mehr ein Hoffen denn eine Gewissheit, die der Manager der Nationalmannschaft verbreitete.

Ein Muskelbündelriss im Adduktorenbereich ist gerade für athletische Sportler eine tückische Verletzung, zumal im Fall Boatengs wohl auch noch eine Sehne gerissen sein könnte. Mario Götze zum Beispiel hatte sich im Länderspiel in Irland im Oktober einen Ausriss der Muskelsehne im Bereich der Adduktoren zugezogen. Er soll erst im Februar wieder spielen. Das wären dann gut fünf Monate.

Boateng wird noch ein weiteres Mal untersucht werden. „Am Freitag und Samstag war ich geschockt und traurig. Ab heute schaue ich nur noch nach vorne, darf aber natürlich nicht übertreiben“, sagte Boateng.

Wird Boateng rechtzeitig zur Vorbereitung auf die EM fit

Anders als die Nationalmannschaft trifft der Ausfall des 27 Jahre alten Innenverteidigers seinen Verein umgehend – und das massiv. Der 1,92 Meter große Abwehrchef ist für den FC Bayern nicht ohne Qualitätsverlust zu kompensieren. Unter Trainer Pep Guardiola hat Boateng sich zu einem der weltbesten Innenverteidiger entwickelt. Auch, weil er nie schwer verletzt war. Nun aber fehlt ihm die Erfahrung mit einer solchen. „Die Laune wird in nächster Zeit nicht so toll sein, wenn ich meine Energie nicht raushauen kann“, sagte Boateng.

Aber auch Joachim Löw war schockiert. Dass Boateng für die beiden Länderspielklassiker im März gegen England und gegen Italien ausfallen wird, ist dabei zweitrangig. Über allem schwebt die Sorge: Wird Boateng rechtzeitig zur Vorbereitung auf die EM fit, sodass er im Turnier einsetzbar ist?

Im deutschen Nationalteam gibt es nicht viele Spieler, deren Ausfall das Team derart schwächen würde. Vergleichbar wäre ein Ausfall von Torwart Manuel Neuer, Mittelfeldstratege Toni Kroos oder Thomas Müller. Diese vier Spieler bilden die Achse des Weltmeisters. Das war beim WM-Gewinn in Brasilien so und ist auch für die EM geplant. Diese Vier sind für Löw unersetzlich. Auch deshalb will Löw für Boateng die Tür so lange wie möglich aufhalten. Löw habe ihm gesagt, „dass ich an ihn glaube und er es trotz der schweren Muskelverletzung noch schaffen kann, auf den EM-Zug aufzuspringen“.

Die Bayern werden den Ausfall sofort spüren. Da der Marokkaner Medhi Benatia wegen einer Muskelverletzung noch fehlt, verfügt Guardiola in Javi Martinez und Holger Badstuber nur noch über zwei Spezialisten für die Innenverteidigung. Doch beide Spieler sind nach zum Teil schwerwiegenden Verletzungen längst nicht in Top-Form. In der Bundesliga muss das Manko nicht zwingend durchschlagen. Anders aber sieht es auf höchstem Niveau aus, in den K.-o.-Spielen der Champions League gegen Juventus Turin. Für diese Achtelfinalspiele sowie das mögliche Viertelfinalspiele wird Boateng definitiv ausfallen. Selbst sein Einsatz im Halbfinale Ende April ist fraglich, sofern es die Bayern ohne Boateng überhaupt so weit schaffen.

Eher unwahrscheinlich ist, dass der FC Bayern in der bis zum 1. Februar laufenden Transferperiode noch einmal aktiv werden. Der Zukauf eines Innenverteidigers machte nur dann Sinn, wenn dieser noch nicht in der laufenden Champions-League-Saison eingesetzt worden ist. Sonst wäre er für die Münchner in diesem Wettbewerb nicht spielberechtigt.

Wie dem auch sei, Löw hat nicht mal diese Möglichkeit. Es gibt derzeit keinen deutschen Spieler, der über diese Komposition aus technischer Begabung und körperlicher Robustheit verfügt wie Boateng. Der zudem überragend schnell ist und über eine in der Bundesliga selten erlebte Spielauslösung verfügt. Und das war Löw anzusehen.

Folgen Sie der Sportredaktion auf Twitter:

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false