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Oh wie groß ist Serbien… Rajko Prodanovic feiert vor einer riesigen Nationalflagge in der Arena von Belgrad.

© Reuters

EM-Gastgeber Serbien: Himmlisches Volk, unbesiegbar

Serbiens Ansprüche sind groß – bei der Handball-Europameisterschaft fiebert auch der Staatschef mit.

Belgrad - Lange Zeit war das Interesse an der Handball-Europameisterschaft in Serbien bei Medien und Zuschauern gering. Die große Arena in Belgrad war bei weitem nicht ausverkauft, die Zeitungen berichteten im Sportteil zunächst unter ferner liefen. Doch das ist nach den Erfolgen des serbischen Teams jetzt schlagartig anders. Sogar Staatspräsident Boris Tadic feuert die serbische Mannschaft bei jedem Spiel in der Halle an.

„Die Fans wollen Gold und das werden sie auch bekommen“, titelt die Belgrader Zeitung „Press“ am Mittwoch. „Wir werden auch im Halbfinale ein Wunder vollbringen“, verspricht der für THW Kiel in der Bundesliga spielende Kapitän Momir Ilic in der Zeitung „Blic“. Tormann Darko Stanic setzt noch eins drauf: „In der Arena sind wir unschlagbar!“ Die Handball-EM ist überall Gesprächsthema. Die Menschen fiebern mit wie selten. Jedenfalls kommen die sportlichen Erfolge vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und sozialen Misere gerade Recht.

Denn seit Jahren gibt es praktisch nur Negativschlagzeilen. Korruption auf Schritt und Tritt, Rekordarbeitslosigkeit, rasante Inflation, Abwertung der Dinar-Währung, überbordende Staatsverschuldung, marodes Rentensystem, ruinierte Unternehmen. Zu allem Überfluss hat Staatschef Tadic seinen Bürgern in Aussicht gestellt, dass sie keineswegs in absehbarer Zeit auf Besserung hoffen können. Wer kann, setzt sich daher ins Ausland ab. Bei Befragungen von Studenten geben regelmäßig Zweidrittel und mehr an, sie wollten nach dem Diplom auswandern: Deutschland, Österreich, Skandinavien und die USA sind die bevorzugten Ziele. Und das schon seit mehr als 25 Jahren. Die jungen, gut ausgebildeten Menschen kehren ihrer Heimat den Rücken – zunächst nur vorübergehend, aber am Ende meist für immer.

Dass die Wirtschaft noch nicht zusammengebrochen ist, verdankt sie vor allem den Überweisungen der serbischen Gastarbeiter, die im letzten Jahr 5,5 Milliarden Dollar nach Hause geschickt hatten. Doch dem Ruf der Politiker, in die alte Heimat zurückzukommen und ihr Wissen sowie ihre Ersparnisse hier zu investieren, folgt praktisch niemand. Die Investitionsbedingungen seien abschreckend, heißt es zur Begründung. Die Politiker und die angesehene orthodoxe Kirche predigen den Bürgern trotz der tristen Wirklichkeit das Kontrastprogramm: „Positiv denken!“, solle die Parole sein. Die jungen Paare sollten trotz allem Kinder in die Welt setzen, weil Serbien dramatisch an Einwohnern verliert. Ihre Heimat sei schließlich der „Lider“ in der Region, heißt es im modernen serboenglischen Stil. Die Kirche wird nicht müde darauf zu verweisen, die Serben seien ein von Gott auserwähltes „himmlisches Volk“.

Der Nationalismus bricht immer wieder hervor. Am Dienstag überfielen Hooligans Handballfans aus Kroatien auf deren Heimreise. Neun Personen seien festgenommen worden, nach weiteren werde noch gefahndet, berichtete die Polizei. Serbische Zeitungen zeigten ein Bild von vermummten Angreifern, die ein kroatisches Spruchband als Trophäe präsentierten. (dpa)

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