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Schnell oder wendig müssen die Deutschen im Spiel gegen Italien sein. Am besten beides.

© dpa

EM-Halbfinale gegen Italien: Enges oder tiefes Spiel?

Italien hat sich bisher als wandelbarste Mannschaft des Turniers gezeigt. Darauf muss Bundestrainer Löw in seiner Aufstellung reagieren – entweder mit besonders wendigen Spielern oder mit besonders schnellen.

Der letzte Tag in Danzig hat der deutschen Nationalmannschaft noch einmal die Grenzen der Planbarkeit vor Augen geführt. Generell war ja mal wieder alles supertoll, wenn man den Ausführungen des Teamseniors Miroslav Klose glauben darf: Unterkunft, Trainingsplatz, Logistik. „Nur das Wetter war ein bisschen mies“, sagte der 34 Jahre alte Stürmer der deutschen Nationalmannschaft. Am Dienstag regnete es durchgängig, und das bei schnuckeligen 14 Grad. „Das kann man ja vorher nicht planen.“ Alles andere schon, weswegen die deutschen Fußballer sich heute in positiver Grundstimmung auf den Weg nach Warschau begeben werden. „Italien kann kommen“, sagt Miroslav Klose vor dem EM-Halbfinale.

Der Stürmer des römischen Erstligisten Lazio ist einer von fünf Spielern im deutschen Kader, die schon vor sechs Jahren auf dem Platz standen, als die Nationalmannschaft, ebenfalls im Halbfinale gegen Italien, aus der Weltmeisterschaft im eigenen Land ausschied. Es war unter anderem dieses Spiel, das die Italiener in den Rang eines Angstgegners für die Deutschen befördert hat. Sie setzten dem jugendlichen Drang des WM-Gastgebers damals eine kühle Abgezocktheit entgegen, die am Ende der Verlängerung zu zwei späten Toren führte. Das Halbfinale von Dortmund hat sich gerade wegen seines Verlaufs ins kollektive Gedächtnis eingebrannt, und es wird für das Halbfinale in Warschau immer wieder als Bezugsgröße herangezogen. Für die Beteiligten selbst spielt Dortmund 2006 dagegen keine Rolle mehr. „Im Fußball gibt es so etwas wie Revanche nicht“, sagt Bundestrainer Joachim Löw. „Die Niederlage können wir nicht mehr gutmachen.“ Und Klose findet es „Schwachsinn, von einem Knacks zu sprechen: Wenn wir zu unserem Spiel finden, sind wir schwer zu schlagen“.

Italiens Regie-Genie Pirlo:

Vor dem morgigen Wiedersehen haben beide Mannschaften ein wenig die Rollen getauscht. Dass die Italiener bis ins Halbfinale vorgedrungen sind, gilt als mittlere Überraschung; die Mannschaft steckt im Umbruch, hat sich gerade nach der enttäuschenden WM 2010 mit dem Aus in der Vorrunde radikal verändert. Die Deutschen hingegen sind sich ihrer Stärke mehr als bewusst, ganz anders als vor sechs Jahren, als sie sich noch am Anfang ihres fußballerischen Reformprozesses befanden. „Wir stellen die Wichtigkeit unserer Spielweise über alles andere“, sagt Löw. „Wir müssen versuchen, Italien unseren Rhythmus aufzuzwingen.“

Italien kickt England im Viertelfinale aus der EM:

Am 4. Juli 2006 war es genau andersherum: Die Deutschen konnten nur auf das reagieren, was die Italiener ihnen anboten. Es war förmlich zu spüren, wie der erfahrene Trainer Marcello Lippi seinem Kollegen Jürgen Klinsmann ein Spiel aufzwang, das die Deutschen nicht gewinnen konnten. Diese Fähigkeit haben sich die Italiener auch in veränderter Besetzung zum Teil erhalten. Bei der EM haben sie sich als die vielleicht wandlungsfähigste Mannschaft erwiesen. Der Kombinationsmaschine Spanien setzten sie große Wucht und ein 3-5-2-System entgegen; den Engländern begegneten sie mit einem 4-4-2 und flottem Offensivfußball. „Italien kann das besser als jedes andere Team: einfach umstellen, ohne dass es einen Qualitätsverlust gibt“, sagt Löw.

Die Höhepunkte des C-Gruppen-Spiels Spanien gegen Italien:

Diese Eigenschaft haben die Italiener schon vor 16 Monaten angedeutet, als sie den Deutschen in einem Testspiel ein 1:1 abrangen. „Wir hatten unseren Spaß“, sagte Nationaltrainer Cesare Prandelli nach der Begegnung, von der das Publikum gedacht hatte, sie würde mit einem deutlichen Sieg für die Deutschen enden. Unter Prandelli sind die Auftritte der Squadra Azzurra tatsächlich viel lustvoller geworden. „Es hat eine enorme Weiterentwicklung gegeben“, sagt Löw. „Das Spiel der Italiener ist verstärkt auf die Offensive ausgerichtet – weil sie offensiv denken.“

Die Frage wird sein, ob die Italiener am Donnerstag wirklich gewillt sind, diese Lust exzessiv auszuleben. Davon könnte auch die Besetzung der deutschen Mannschaft abhängen. Generell soll sich deren Spielweise – dominant, offensiv, mutig – nicht ändern, aber die Interpretation des Systems könnte den aktuellen Erfordernissen angepasst werden – mit dem entsprechenden Personal. „Wenn ich weniger Platz in den Zwischenräumen habe, brauche ich einen anderen Spielertyp“, sagt Löw. Einen Spielertyp, der sich an Hindernissen vorbei winden kann, wie André Schürrle, Marco Reus oder Miroslav Klose. „Wenn ich mehr Tiefe habe, brauche ich schnelle Spieler, die da reingehen.“ Also Thomas Müller, Lukas Podolski und Mario Gomez. Ob er schon die Gedanken offenbaren könne, die er sich in dieser Frage mache, wurde Joachim Löw gestern gefragt. „Die kommen am Donnerstag um 14.12 Uhr“, antwortete er. Wenn der Maulwurf sich wieder meldet.

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