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Julian Draxler (r.) und Ilkay Gündogan haben noch eine gute Woche Zeit, um Bundestrainer Joachim Löw von sich zu überzeugen.

© dpa

EM-Kader: Glück, Stolz - und Enttäuschung für Draxler und Gündogan?

Die überraschend von Joachim Löw für das vorläufige EM-Aufgebot nominierten Julian Draxler und Ilkay Gündogan müssen damit rechnen, noch aus dem Kader gestrichen zu werden.

Am fünften Tag der Vorbereitung hat Julian Draxler seine erste große Niederlage einstecken müssen. Zumindest sah das für die Beobachter von außen so aus. Bundestrainer Joachim Löw hatte die Fußball-Nationalspieler in Sardinien zum Ausdauertest gebeten und Draxler in eine Gruppe mit den beiden Laufwundern Lars Bender und Marco Reus beordert. Anfangs hielt der junge Schalker gut mit, gegen Ende musste er dann doch abreißen lassen. Aus fünf Meter Rückstand wurden zehn, schließlich sogar gut fünfzehn. „Man muss aber auch betonen, dass wir in der Gruppe dreißig Sekunden zu schnell gelaufen sind“, sagt Draxler. „Insofern war ich da auch noch ganz gut in der Zeit.“

Julian Draxler hat auch sonst nicht das Gefühl, dass er hinten dran ist.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich hier mithalten kann“, sagt der 18-Jährige. „Meine Fitness ist gut, und beim Fußballspielen bin ich auch nicht sonderlich abgefallen.“ Trotzdem kommt es ihm immer noch „wie ein Traum“ vor, dass er überhaupt auf Sardinien und jetzt in Südfrankreich dabei ist, wenn sich die Nationalmannschaft auf die Europameisterschaft vorbereitet. Beim Mittagessen schaut sich Draxler selbst nach zehn Tagen noch erst einmal um, welche Berühmtheit jetzt wieder neben ihm sitzt. „In jeder Stunde lernt man hier praktisch neue Sachen hinzu“, sagt der Fachabiturient.

Das vorläufige deutsche EM-Aufgebot in unserer Bildergalerie:

Der Mittelfeldspieler des FC Schalke war der große Überraschungskandidat in Löws vorläufigem EM-Aufgebot. Von Glück, Stolz und Ehre spricht Draxler. Doch Glück, Stolz und Ehre haben möglicherweise nur eine geringe Halbwertzeit. Draxlers verblüffende Nominierung bedeutet im Umkehrschluss, dass er automatisch auch als erster Kandidat gilt, wenn Löw seinen Kader am 29. Mai noch auf die zulässige Gesamtgröße von 23 Spielern kürzen muss; drei Feldspieler und einen Torhüter wird es dann erwischen. „Jetzt baut sich der Konkurrenzkampf auf“, sagt Bundestrainer Löw.

Löw hat Respekt vor der bitteren Nachricht

Vor vier Jahren traf es mit Marko Marin, Patrick Helmes und Jermaine Jones genau die Spieler, die zuvor als Zählkandidaten gehandelt worden waren und die zufälligerweise zu Beginn der Vorbereitung die Rückennummern 24 bis 26 zugeteilt bekommen hatten. Diesmal muss sich neben Draxler vor allem Ilkay Gündogan Sorgen machen. „Meine Nominierung kam vielleicht etwas überraschend, weil die Hinrunde nicht so überragend für mich gelaufen ist“, sagt der Mittelfeldspieler von Borussia Dortmund. „Aber ich glaube, dass ich es auch ein Stück weit verdient habe, hier zu sein.“ In der Endphase der Saison hat sich der 21-Jährige immer besser beim BVB zurechtgefunden, unter anderem im Pokalhalbfinale gegen Fürth in letzter Minute den Siegtreffer erzielt.

Löw sagt, dass er großen Respekt vor dem Moment habe, in dem er vier Mitgliedern seiner Reisegruppe die bittere Nachricht verkünden müsse, dass sie leider nicht dabei sind. „Es gab Spieler, die haben ein bisschen einen Knacks davongetragen“, sagt der Bundestrainer. Andere aber hätten davon profitiert, dass sie drei Wochen mit der Nationalmannschaft trainiert, die Abläufe schon einmal kennen gelernt hätten und wüssten, was die Trainer erwarten. „Sie können vielleicht 2014 eine gute Rolle spielen.“

Das trifft sowohl auf Gündogan zu, der bisher ein Länderspiel bestritten hat, als auch auf die beiden Neulinge Julian Draxler und Torhüter Marc-André ter Stegen, denen glänzende Perspektiven nachgesagt werden. Alle drei eignen sich allerdings auch besonders gut als Streichkandidaten, weil sie schon die vorläufige Berufung als Ehre empfinden und eine mögliche Degradierung ohne großes Getöse akzeptieren würden. „Als 18-Jähriger ist das noch kein Beinbruch“, sagt Draxler. Er weiß seit seiner Nominierung, dass er der Herausforderer ist, und „gerade als Herausforderer muss man mal die eine oder andere Aktion haben, die den Bundestrainer zum Staunen bringt. Wenn man nur Durchschnitt spielt, fordert man ja niemanden heraus.“

Offensichtlich ist ihm das recht gut gelungen. „Er ist technisch gut ausgebildet, ein guter Eins-gegen-eins-Spieler, geht mit Tempo drauf, hat Zug aufs Tor“, sagt Löw über Draxler. „Er wird bei uns dauerhaft seinen Weg machen.“ Fragt sich nur, wann dieser Weg richtig beginnt.

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