zum Hauptinhalt
Fußballweise. Gert Wagner und Jürgen Gerhards prophezeien mithilfe ökonomischer Kennzahlen den EM-Sieger.

© Mike Wolff

EM-Prognosen: Schon wieder Spanien

Mit unterschiedlichen Modellen sagen Forscher den Ausgang der Fußball-Europameisterschaft voraus. Zwei Berliner haben schon die letzten drei Großturniere richtig prognostiziert.

Spanien wird Europameister. Im Finale von Kiew geht es wie bereits 2008 gegen Deutschland, womit Jogi Löws Elf wieder nur der zweite Platz bleibt. Wobei es gar nicht nur auf die erste Elf ankommt, sondern auf das gesamte 23er-Aufgebot, haben zwei Berliner Wissenschaftler errechnet. „Unser Prognosemodell ist einfach, es basiert auf den Marktwerten aller Kaderspieler“, sagt Gert Wagner, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Wagner und der Soziologe Jürgen Gerhards von der Freien Universität haben bereits den Ausgang der letzten zwei Weltmeisterschaften und der Europameisterschaft 2008 korrekt vorausberechnet. „Die Regeln der globalisierten Wirtschaft gelten auch für den Fußball, die Leistungsfähigkeit der Spieler wird durch deren Marktwert realistisch abgebildet“, erläutert Gerhards.

Mit ihrer Analyse bestätigen sie die Einschätzung vieler Experten über die „Todesgruppe“, in der Deutschland, Dänemark, Holland und Portugal in der Vorrunde aufeinander treffen. Außer den Dänen liegen die Marktwerte aller Teams der Gruppe relativ eng beieinander, wenn auch deren Struktur sehr verschieden ist. „Bei Portugal hängt unglaublich viel an Superstar Christiano Ronaldo, der treibt den Marktwert des Teams nach oben“, sagt Gerhards. „Deutschland ist da ausgeglichener. Und beim teuersten Spieler, Mario Gomez, ist noch gar nicht klar, ob er von Beginn an spielen wird oder der preiswertere Miroslav Klose.“

Auf eine Besonderheit weist Wagner bezüglich der oft hoch gehandelten und tief gefallenen Engländer hin: „Wir haben da eine Spezial-Annahme gemacht, dass England nicht so gut spielt, wie der Marktwert es hergeben würde.“ Als wesentlichen Grund nennt er die „erfahrungsgemäß unprofessionelle Verhaltensweise der Akteure“ während der Turniere. Auch seien englische Spieler wegen der Finanzstärke der Premier League häufig überbewertet.

Komplexe Methoden sind nicht zwangsläufig besser

Gerhards und Wagner geben zu, dass ihre Methode Schwächen hat, etwa wenn alte Spieler zwar noch gute Leistungen bringen, aber kaum noch Geld auf dem Transfermarkt zu erwarten wäre. Oder durch ein starkes Gefälle zwischen einer überragenden Stammelf und einer untalentierten Ersatzbank. „Das haben wir ebenfalls untersucht und festgestellt, dass für die EM das einfache Modell genauso gut ist wie eines, das derartige Eventualitäten berücksichtigt“, sagt Wagner. Wichtiger sei es zu beachten, dass bei einem Turnier mit maximal sechs Spielen pro Mannschaft und mehreren K.-o.-Partien der Zufall eine größere Rolle spiele als bei einer Meisterschaft mit 34 Runden. Ein falscher Schiedsrichterpfiff – und schon könnten alle Vorhersagen Makulatur sein.

Trotz aller Zufallsfaktoren sind sich die meisten Wissenschaftler über den Ausgang der kommenden Europameisterschaft ziemlich einig. Der Statistikprofessor Achim Zeileis von der Universität Innsbruck zum Beispiel hat vor allem die Quoten internationaler Wettanbieter herangezogen. Er kommt zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Berliner Wissenschaftler. Nach Spanien und Deutschland hätten demnach Holland, England und Frankreich die größten Siegchancen.

Aus der Reihe der von Spanien überzeugten Propheten scheren eine Woche vor dem Eröffnungsspiel Wissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln und der International School of Government in Frankfurt aus. Sie sehen einen Sieg Deutschlands im Finale gegen Spanien, Polen komme ins Halbfinale, Holland überstehe die Vorrunde nicht.

Freuen dürften sich alle Fußballfans auf die prognostizierten 2,7 Tore pro Spiel, waren es 2008 im Schnitt doch nur 2,5. Grundlage für diese Schätzung: Die Forscher ermittelten eine auffällige Korrespondenz zwischen der durchschnittlichen Trefferzahl bei Europa- und Weltmeisterschaften mit dem Toredurchschnitt der vorangegangenen Champions-League-Saison.

„Wir würden uns wünschen, dass unsere Methode unsicherer wird“, sagen Wagner und Gerhards. „Denn das hieße, dass sich die Marktwerte der Mannschaften angleichen, womit der Ausgang ungewisser wird und die Spannung steigt.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false