zum Hauptinhalt
Relikt. Die Zeit, da Lukas Podolski (Mitte) eine feste Größe in der Nationalelf war, ist längst vorbei.

© Imago

EM-Qualifikation Polen gegen Deutschland: Der Herbst nach dem Gold

Im EM-Qualifikationsspiel gegen Polen ist die Personalnot bei der deutschen Nationalmannschaft so groß, dass sich sogar Edelreservist Lukas Podolski Hoffnungen auf einen Einsatz machen darf.

Es gehört mittlerweile zum guten Ton, nicht besonders vorteilhaft über die internationalen Sportverbände zu sprechen. Das gilt auch für die Uefa, wobei der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zumindest in einem ganz speziellen Fall keinen Grund hat, dem europäischen Verband zu zürnen. Als die Qualifikation zur Europameisterschaft noch kein durchvermarktetes Format war und die Teilnehmerländer ihre Spieltermine eigenständig aushandeln konnten, hat der DFB sich stets bemüht, im Oktober gegen den mutmaßlich stärksten Gruppengegner zu spielen. Das war 2008 und 2009 gegen Russland so, 2010 und 2011 gegen die Türkei und 2012 und 2013 gegen Schweden. Und es ist – ohne eigenes Zutun – auch am Samstag so, wenn die Nationalmannschaft in Warschau auf Polen trifft. Auf den Gegner, von dem Joachim Löw sagt, dass er in der deutschen Gruppe ein „Kandidat auf Platz eins oder Platz zwei“ sei.

Am Tag vor dem Spiel hat der Bundestrainer einen ersten Eindruck von der Dynamik der Polen gewonnen. Er saß in einem Tagungsraum des Warschauer Mannschaftshotels und lauschte der Übersetzung seiner Worte ins Polnische. Während Löws Redefluss im Original eher badisch getragen ist, jagten die Konsonanten im Polnischen nur so durch den Saal. Der Bundestrainer musste ein bisschen schmunzeln über das irrwitzige Tempo des gesprochenen Wortes.

Löw befindet die Polen als hartnäckig, aufsässig und technisch gut

So lustig dürfte es heute Abend im Nationalstadion nicht werden. Die Polen spielen „einen hervorragenden Konterfußball“, sagte der Bundestrainer. Sie seien hartnäckig, aufsässig und technisch gut. Zudem kämen die Zuschauer ganz sicher nicht ins Stadion, „um den Weltmeister zu feiern“. Die Zuschauer kommen, um die deutsche Nationalmannschaft zum ersten Mal überhaupt gegen Polen verlieren zu sehen. „Wir haben alles in der Hand“, hat Nationaltrainer Adam Nawalka dem „Kicker“ gesagt. „Ich sehe, dass meine Spieler sehr motiviert und konzentriert sind.“

Das EM-Qualifikationsspiel führt die Nationalmannschaft an jenen Ort zurück, an dem sie Ende Juni 2012, im EM-Halbfinale gegen Italien, ihre letzte Pflichtspielniederlage kassiert hatte. Da trifft es sich ganz gut, dass die Deutschen für diese Begegnung gewissermaßen ihren Wunschtermin bekommen haben. „Die Oktoberspiele waren für uns immer sehr wichtig, vor allem nach großen Turnieren“, sagt Löw. „Da sind die Spieler körperlich und emotional wieder ein Stück weiter.“ Vor einem Monat, gegen Argentinien (2:4) und Schottland (2:1), war ihnen die physische und psychische Müdigkeit nach der WM noch deutlich anzumerken.

Podolski ist gegen Polen so etwas wie der letzte Überlebende der Generation 2004

Das soll Samstag und am Dienstag gegen Irland schon viel besser aussehen, auch wenn Löw auf Bastian Schweinsteiger, Sami Khedira, Mesut Özil, Marco Reus und Benedikt Höwedes verzichten muss. „Es ist im Moment nicht ganz so einfach für uns“, sagt der Bundestrainer. Mit Manuel Neuer im Tor, den Verteidigern Mats Hummels und Jerome Boateng, Toni Kroos im Mittelfeld und den beiden Offensivspielern Thomas Müller und Mario Götze habe die Mannschaft zwar eine stabile und international erfahrene Achse; die jungen Spieler aber, die nun in die Startelf rücken, „können noch nicht diese Reife und diesen Standard haben“.

Wie groß die Not ist, zeigt, dass sich sogar Lukas Podolski berechtigte Hoffnungen machen darf, gegen sein Geburtsland mal wieder von Anfang an zu spielen. In Abwesenheit des verletzten Bastian Schweinsteiger ist Podolski so etwas wie der letzte Überlebende der Generation 2004. Er hat aktuell die meisten Länderspiele bestritten (118) und ist auch der älteste Feldspieler in Löws Kader. Doch die Zeit, da Podolski eine feste Größe in der Nationalelf war, ist längst vorbei. In diesem Jahr stand er nur einmal in der Anfangsformation. Und auch bei seinem Verein, dem FC Arsenal, fand sich Podolski zuletzt meistens auf der Bank wieder. „Ich habe nicht den Spielrhythmus, um irgendwelche Ansprüche zu stellen“, sagt Podolski mit Blick auf das Spiel gegen Polen. Im Zweifel wird Joachim Löw darauf angesichts der Personalsituation wenig Rücksicht nehmen können.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false