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Ein Mann sieht rot. Arsenals Szczesny (grünes Trikot) kennt das schon.

© Reuters

EM-Qualifikation Polen gegen Deutschland: Wojciech Szczesny - ein Torwart zwischen Eleganz und Arroganz

Polens Nationaltorwart Wojciech Szczesny ist umstritten. Oft steht ihm sein großes Selbstvertrauen im Weg. Doch nicht nur Arsenal-Trainer Arsene Wenger glaubt aber an ihn.

März 2013. Der FC Arsenal hat gerade den Erzrivalen Tottenham Hotspur 1:0 geschlagen. Eine Gruppe von Arsenal-Spielern trifft sich am Spielfeldrand, direkt vor den gegnerischen Fans. In der Mitte steht Wojciech Szczesny. Der Torwart der Londoner und Nationalkeeper Polens nimmt sein Smartphone und fotografiert sich mit seinen Kumpels vor dem Hintergrund schimpfender Tottenham-Anhänger. Ein Sieger-Selfie.

Ein Jahr zuvor hatte Szczesny im Sky-Interview erklärt, warum es ihm so wichtig sei, dass Arsenal den vierten Tabellenplatz vor dem Rivalen erobert: „Arsenal muss mindestens einen Champions-League-Platz erreichen. Und ich hasse Tottenham.“ Seit Jahren engagiert sich Szczesny leidenschaftlich, was die Rivalität mit Tottenham betrifft. Er ist bekannt dafür, soziale Netzwerke für seine Zwecke zu nutzen. Hier wünscht er „allen muslimischen Fans Eid Mubarak“, da entschuldigt er sich für den letzten Platzverweis. Am liebsten schimpft er aber über die Spurs – oder bekennt seine unsterbliche Liebe zu den Gunners.

Der Sohn des ehemaligen polnischen Nationaltorwarts Maciej Szczesny hat zweifellos ein natürliches Talent als Torwart. Arsenal und sein Trainer Arsene Wenger haben trotz ständiger und scharfer Kritik immer an dieses Talent geglaubt. Szczesny kam 2009 als 19-Jähriger zum Nordlondoner Verein: Dort ist er zu einem weltbekannten Torwart gereift – auf dem Wege dahin gab es aber viele Schwierigkeiten. Szczesnys selbstbewusstes Auftreten in der Öffentlichkeit wird durch eine ähnliche, arrogante Einstellung auf dem Spielfeld widergespiegelt. Er kommt gerne aus seinem Tor heraus, geht gerne jedes Risiko ein. Wie Manuel Neuer, dem er am Sonnabend im Länderspiel gegen Deutschland gegenüberstehen wird, verkörpert er die moderne Idee des fußballerisch aktiven Torhüters. Nur ist er eben nicht wie Manuel Neuer der Beste seiner Generation.

Szczesny macht mehr Fehler. Wegen seiner Spielweise sehen diese Fehler viel schlimmer aus, als sie bei einem eher bescheiden agierenden Torhüter aussehen würden. Oft führen sie zu unnötigen Platzverweisen zur falschen Zeit, wie im Eröffnungsspiel bei der EM 2012 oder wie mit Arsenal gegen Galatasary Istanbul im September. Tatsächlich hat Szczesny in den letzten drei Champions-League-Spielzeiten mehr Rote Karten gesehen als jeder andere Spieler.

Szczesnys große Schwäche ist auch seine größte Stärke

Diese dunkle Seite seiner Spielweise bringt ihm eine Menge Kritik ein. Szczesny sei rücksichtslos, das sei sein Charakter, hieß es oft. In vielen der jüngsten Sommerpausen haben Arsenal-Fans trotz ihrer großen Liebe für den polnischen Keeper den Trainer gebeten, einen anderen Torhüter zu kaufen. Es sei zu gefährlich, Szczesny jede Woche spielen zu lassen, war der Tenor der Anhänger.

Wenger und Arsenal vertrauen aber Szczesny und halten an ihm fest. Und das finden auch viele im Klub gut so. Wie etwa die Torwartlegende der Gunners, Bob Wilson. Es sagt: „Szczesny ist die Zukunft. Er wird wie alle großen Torhüter nur besser werden. Er hat, was ein Torwart auf diesem Niveau braucht: ein ungebrochenes Selbstvertrauen.“

Klub und Trainer wissen, dass Szczesnys große Schwäche auch seine größte Stärke ist. Das Selbstvertrauen führt zwar zu rücksichtslosen Entscheidungen, gibt dem Torwart aber auch die Möglichkeit, sich ständig zu verbessern. Klub und Trainer wissen auch, dass Szczesnys Spielweise die Zukunft gehört, und dass es kaum Sinn machen würde, ihn durch einen Iker Casillas oder einen Gianluigi Buffon zu ersetzen.

Das ist Wojciech Szczesnys Fluch. Er ist ein moderner Torhüter in einer Ära, in der sich der moderne Torhüter zu etablieren beginnt. Deshalb wird er von allen außerhalb seines beliebten Nests in Nordlondon als eine schlechtere Version von Manuel Neuer gesehen. Das mag unfair sein, aber es geht sicher am großen Selbstbewusstsein des Polen vorbei.

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