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Ashley Williams träumte von England, jetzt ist er Kapitän bei Wales.

© REUTERS/Carl Recine

EM-Spiel: Belgien gegen Wales: Mit Ahnenforschung wurde Wales gepimpt

Wales ist der letzte britische EM-Teilnehmer. Dabei stammen neun der Spieler aus England. Dass die heute für Wales auflaufen, liegt vor allem an zwei Männern, die Ahnenforschung betrieben.

Wales hatte jahrelang zu wenige Fußballtalente. Dann durchforsteten zwei Männer die Stammbäume englischer No-Names. Beide gelten heute als heimliche Väter des EM-Erfolges.

Am Montagabend konnten die walisischen Nationalspieler ihre Häme nicht zurückhalten. Im Internet kursiert ein Video, das die Spieler beim internen Rudelgucken der Achtelfinal-Partie England gegen Island im Hotel zeigt. Beim Abpfiff der England-Niederlage brachen alle Dämme. Die Waliser schrien, bildeten eine Jubeltraube, hüpften und sprangen durch den Raum. England war rausgeflogen, Wales nach dem 1:0-Erfolg über Nordirland der einzige britische EM-Teilnehmer.

Kurios: Neun walisische Spieler stammen aus England

Während in England das Scherbengericht des Fußballs tagt, wird das walisische Team abgefeiert. Dabei mutet dieser Gegensatz durchaus kurios an, stammen doch gleich neun aktuelle walisische Nationalspieler aus England. Dass sie heute für Wales auflaufen, liegt vor allem an zwei Männern: John Toshack und Brian Flynn.

Als der ehemalige Liverpool-Profi Toshack 2004 zum zweiten Mal walisischer Nationaltrainer wurde, installierte er kurze Zeit später seinen Kumpel und ehemaligen Mitspieler Flynn als Nachwuchschef. Flynn sollte sowohl die U21 trainieren als auch talentierte walisische Spieler auftreiben – notfalls über die Landesgrenzen hinaus. „Unser Plan war, Spieler zu finden, die irgendetwas mit Wales zu tun hatten“, sagte Toshack vor der EM dem „Telegraph“ und fügte an: „Brian war brillant darin. Wenn dein Hund walisische Vorfahren hätte, würde Flynny es wissen!“

Zwischen 2004 und 2010 tingelte Flynn im Auftrag Toshacks durch die Stadien und über die Sportplätze in Wales und England. Immer auf der Suche nach Spielern, die auch nur im entferntesten etwas mit Wales zu tun hatten – und die es in den meisten Fällen selber gar nicht wussten.

Ihm fiel der Name Williams auf - ein Name walisischen Ursprungs

In Stockport, einer Stadt südöstlich von Manchester, wollte Flynn 2007 beispielsweise eigentlich nur einen talentierten walisischen Torwart beobachten: den heutigen Stamm-Keeper Wayne Hennessy. Auf dem Spielbogen fiel ihm aber der Name Williams auf – seit jeher ein Nachname walisischen Ursprungs. „Flynn hat die Verwaltung der Stadt gebeten herauszufinden, ob Ashley Williams walisische Wurzeln hat“, erzählt Chris Wathan, der die Geschichte Flynns zuletzt in seinem Buch „Together Strong“ detailliert aufgeschrieben hat.

Als die Bestätigung kam, dass Williams Großvater mütterlicherseits aus Wales stammte, reiste Flynn wieder nach Stockport und überredete den Spieler, in Zukunft für Wales aufzulaufen. Nun, knapp acht Jahre später, führt Ashley Williams Wales als Kapitän aufs Feld und sagt: „Es ist ein bisschen komisch, weil ich immer gehofft hatte, für England zu spielen. Nun gilt aber meine ganze Loyalität Wales.“

Toshack und Flynn gelten als geheime Väter des Erfolgs

Auch bei Sam Vokes und Hal Robson-Kanu fand Flynn auf diese Weise heraus, dass sie walisische Großeltern hatten. Heute werden Toshack und Flynn in Wales als geheime Väter des Erfolgs gesehen – obwohl sie nichts mehr mit dem walisischen Fußball zu tun haben. Toshack trat 2012 nach Querelen mit dem Verband als Nationaltrainer Mazedoniens zurück und ist arbeitslos. Flynn scoutet für den FC Everton in England. Dass der aktuelle Nationaltrainer Chris Coleman aber von ihrer Arbeit profitiert, ist unumstritten.

Auch die Spieler verweisen gerne auf die Flynn-Ära. 16 Spieler des aktuellen Kaders spielten schon unter dem Erfolgsvater zusammen. Andy King von Englands Überraschungsmeister Leicester erklärte: „Wir kennen uns fast alle seit unserem 16. Lebensjahr. Wir sind eine stolze Nation und kämpfen für Wales.“ Vermutlich ist es dieser Zusammenhalt, der Wales bei dieser EM bisher so weit gebracht hat.

Christoph Küppers

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