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Festgesetzt. Polizeikräfte beim Einsatz gegen Hooligans. Am Abend nach dem Spiel Polen gegen Russland war es zu heftigen Ausschreitungen gekommen.

© dapd

EM-Spiel Polen gegen Russland: Polnische Ultras randalieren in Warschau

180 Festnahmen, 20 Verletzte: 6000 Polizisten haben Mühe, nach dem Spiel Polen gegen Russland die Hooligan-Krawalle in den Griff zu bekommen.

Haut ab, ihr Russen-Huren!“, grölt eine Gruppe vermummter Polen, überspringt eine Absperrung und rennt über den Bürgersteig drohend auf ein paar russische Fußballfans zu. Diese haben sich in einem Biergarten am „Rondo Waszyngtona“ gleich gegenüber dem Nationalstadion hingesetzt und gerade noch mit rot-weiß gekleideten Fans der polnischen Nationalelf Verbrüderung gefeiert. Ein paar Russen flüchten ins Innere des Lokals, während die andern um den Tisch herum zusammenstehen. Im Hintergrund detonieren Knallkörper. Polizisten in Kampfmontur marschieren mit Gummischrotgewehren im Anschlag auf eine Gruppe Vermummter mit polnischen Schärpen zu. Es fliegen Steine und Flaschen. Auf der nahen Poniatowski-Brücke steigen Tränengasschwaden auf.

„Die Russen haben begonnen, jetzt kriegen sie aber aufs Maul!“, brüllt ein kahlgeschorener Passant. Die Polizei bringt derweil einen Wasserwerfer in Stellung. Der ganze Platz wimmelt von polnischsprachigen Hooligans, die mal die wenigen Russen, dann wieder die Polizei mit unflätigem Gebrüll eindecken. Er sei doch nur gekommen, um das russische Nationalteam anzufeuern, erzählt dagegen Sergej aus Moskau, der mit seiner Russenflagge auf dem Rücken hilfesuchend Richtung Polizeikordon zumarschiert. Der Vierzigjährige zeigt eine Schramme am Arm, die ihm polnische Fußballfans vor zwei Tagen zugefügt hätten. Die Flagge ziert zwar ein Bär mit großen Krallen, deren Träger allerdings ist ein überaus gemütlicher Typ. „Das polnische Bier ist gut und die meisten Polen sehr nett“, lobt Sergej und schüttelt den Kopf. Hunderte von Polizisten haben derweil die Brücke mit einem Kordon vom Nationalstadion abgetrennt. Ein genehmigter Marsch russischer Fans vom Stadtzentrum ins Stadion wird so vorzeitig abgebrochen; die Russen werden unter Polizeigeleit zu einem Hintereingang gelotst. Ein Wasserwerfer hält gut hundert Hooligans in Schach.

Trotz des Einsatzes von mehr als 6000 Polizisten ist es nicht gelungen, Provokationen während des russischen Fanmarschs zu vermeiden. Laut Polizeiangaben störten Ultras aus beiden Lagern den Marsch von Anfang an. Vor dem Stadion sollten die Russen dann von polnischen Hooligans empfangen werden. Bei Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Hooligans gab es dabei bereits vor Spielbeginn etwa zehn Verletzte. Kaum hatte das Spiel begonnen, drangen Ultras in die Fanzone unter dem Kulturpalast ein und sorgten dort für Schlägereien. Nach dem Spiel, das 1:1 endete, beruhigte sich die Lage. Sie war aber erst in den frühen Morgenstunden des Mittwochs wieder ganz unter Kontrolle. Immerhin konnte die Polizei eine von den Ultras vereinbarte Massenschlägerei nach dem Spielende am „Rondo de Gaulla“ verhindern.

Das Fazit: 20 Verletzte, darunter zehn Polizisten und ein Deutscher – sowie 184 Festnahmen. Laut dem Warschauer Polizeisprecher Maciej Karczynski wurden über 150 Polen und über 20 Russen festgenommen. Die ersten sollen bereits am Freitag dem Richter vorgeführt werden. „Das war der schwierigste Tag der EM“, kommentierte Polens Innenminister am Mittwoch. Außenminister Radoslaw Sikorski traf sich am Nachmittag mit Staatspräsident Bronislaw Komorowski zu einer Lageeinschätzung. Die russische Nationalelf trägt alle Vorrundenspiele in Warschau aus und könnte je nach Platzierung noch lange in der polnischen Hauptstadt bleiben. Auch nach einem Ausscheiden der Polen dürften die polnischen Hooligans keine Ruhe geben. Schon heute steht das Mannschaftshotel der Russen unter Dauerbeschallung unflätig grölender Polen.

„Krieg auf der Straße, Frieden auf dem Feld“, kommentierte am Mittwoch die führende russische Sportzeitung „Sowjetski Sport“. In den polnischen Zeitungen nahmen die Krawalle fast den gleichen Raum ein wie das von den Polen wie ein Sieg gefeierte Unentschieden. Die konservative Tageszeitung „Rzeczpospolita“ unterstrich, dass nur wenige hundert Ultras das Sportfest störten, während 200 000 friedliche Fans verschiedenster Nationen feierten. Die rechtsextreme, dem polnischen Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski nahestehende „Gazeta Polska Codzienna“ („Polnische Tageszeitung“), die bereits im Vorfeld vor Provokationen des russischen Geheimdienstes gewarnt hatte, warf den polnischen Sicherheitskräften Unfähigkeit vor. Bereits früher hatte sich Kaczynski solidarisch hinter gewaltbereite polnische Hooligans gestellt und diese als gute Patrioten bezeichnet.

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