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EM-TAGEBUCH  der Gruppe B: „Wo war Messi denn vor einem Jahr?“

Journalisten aus den Niederlanden, Dänemark und Portugal berichten uns von den Teams und deren Fans.

NIEDERLANDE

Die Lage im Land. In den Niederlanden glaubt niemand wirklich an die Restchance auf das Viertelfinale. „Kein Sturm, keine Abwehr“ oder schlicht „Blamage“ waren die Schlagzeilen der Zeitungen betitelt. Nicht nur die Leistung der Mannschaft macht den Fans zu schaffen, sondern auch der nächste Gegner. Schon zweimal – bei der EM 2004 und der WM 2006 – sahen die Niederländer gegen Portugal nicht gut aus.

Team-intern. Klaas-Jan Huntelaar wollte spielen, van der Vaart war sauer und Wesley Sneijder stänkerte: „Ich habe nicht die ganze Qualifikation gespielt, um nach zwei Spielen nach Hause zu fahren.“ Und weiter: „Die Stürmer müssen treffen, das ist ihr Job.“ Für Unruhe war wieder einmal gesorgt, auf dem Platz waren die Akteure dann weniger aktiv als am Mikro.

Abseits. Eine Ausrede bleibt dem niederländischen Team noch: Der Verweis auf die Reisestrapazen. Die Mannschaft bezog das Quartier in Krakau und musste dann zu jedem Spiel im über 1000 Kilometer entfernten Charkiw lange anreisen. Das lässt Zweifel am organisatorischen Talent des Verbandes aufkommen. Zudem war es in Krakau zehn Grad kühler als in Charkiw – nicht die besten Voraussetzungen also.

Zitat. „Uns fehlen die Automatismen der WM 2010. Ich weiß nicht, warum. Es ist alles seltsam. Wir spielen einfach nicht als Team zusammen.“ (Wesley Sneijder)

Willem Vissers, De Volkskrant

DÄNEMARK

Die Lage im Land. Mit der Niederlage gegen die Portugiesen hielt man sich in Dänemark nicht lange auf, der Fokus lag schon nach der Partie auf Deutschland. Das Boulevardblatt „BT“ schrieb: „Vergesst Ronaldo, wir schlagen die Deutschen. Die Olsen- Bande gibt nie auf.“

Team-intern. Zwei Spieler mussten wegen muskulärer Probleme ausgewechselt werden: Dennis Rommedahl und Niki Zimling. Bei beiden sieht es für das letzte Gruppenspiel nicht gut aus. Während der Ausfall von Zimling ein ziemlicher Verlust wäre, würde Rommedahl nach seinen bisherigen Darbietungen nicht großartig vermisst werden.

Die Dänen bangen also nur um Zimling – und der ließ ausrichten: „Ich werde beten, dass ich spielen kann.“

Abseits. Das Spiel gegen Portugal war gespickt mit Provokationen. Dänische Fans bedachten Cristiano Ronaldo mit „Messi, Messi“-Sprechchören. Pepe drehte nach seinem Tor zum 1:0 zur dänischen Kurve ab und deutete immer wieder auf das portugiesische Wappen. Nach seinem zweiten Tor imitierte Bendtner den Jubel Pepes an gleicher Stelle und deutete seinerseits auf das dänische Wappen.

Damit nicht genug, Bendtner hob auch sein Shirt und zeigte den Schriftzug auf seiner Unterhose: „Paddy Power“ – der Name eines irischen Wettanbieters, für den Bendtner schon einmal unerlaubt Werbung gemacht hatte. Er erklärte diesmal lapidar: „Die Shorts hat mir ein Freund geschenkt, sie sollten mir Glück bringen.“

Zitat. „O. k., wir haben schönen Fußball gespielt. Aber ganz ehrlich, was wir nach dem Ausgleich veranstaltet haben, war einfach nur naiv.“ (Daniel Agger)

Lars Sejr, Jyllands-Posten,

PORTUGAL

Die Lage im Land. Die treffendsten Schlagzeile nach dem Spiel: „Wir mögen es zu leiden“ oder „Varela vergibt nur einmal“. Dieser Sieg hat definitiv den Glauben an das Team zurück gebracht. Und wie im richtigen Leben müssen wir Portugiesen nun häufig den Taschenrechner bemühen: Wir könnten mit drei Punkten weiterkommen oder mit sechs ausscheiden. Sehr seltsam.

Team-intern. Cristiano Ronaldo war unterirdisch. Nicht nur wegen seiner vergebenen Chancen, sondern auch weil er Fabio Coentrão auf der linken Seite in der Defensive ziemlich alleine ließ.

Abseits. Die „Messi“-Rufe gingen an Ronaldo nicht spurlos vorbei. „Wo war Messi denn vor einem Jahr? Bei der Copa America ist er mit Argentinien früh ausgeschieden. Trotzdem halten ihn alle für den größten Spieler“, sagte Ronaldo und lieferte auch ein sehr schönes ...

Zitat. „Fragt doch die großen Spieler“, begründete er etwas eingeschnappt seinen Interviewboykott in der Mixed Zone.

Nuno Travassos, Mais Futebol

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