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Renato Sanches war Portugals Star im Viertelfinalspiel gegen Polen.

© dpa/Horcajuelo

EM-Viertelfinale: Portugal gegen Polen: Renato Sanches, the Man of the Match

Bayern München kaufte ihn gerade für 35 Millionen Euro ein. Jetzt ist er Portugals Held von Marseille.

Die Bewerber für den Titel des Helden der Nacht von Marseille stehen Schlange. Ganz vorne wartet Rui Patricio, Portugals famoser Torhüter, er hat im Elfmeterschießen den Versuch von Jakub Blaszczykowski abgewehrt und damit den Einzug seiner Mannschaft ins Halbfinale der Europameisterschaft überhaupt erst  möglich gemacht. Alle Portugiesen haben im Entscheidungsschießen getroffen, aber wenn alle Polen das auch geschafft hätten, dann würden sie heute noch  schießen. Rui Patricio steht in würdiger Tradition des Veteranen Ricardo bei der EM 2004 in Portugal, als es im Viertelfinale gegen England ging, ebenfalls im Elfmeterschießen. Ricardo hat damals seine Handschuhe weggeworfen,  den Schuss von Darius Vassel pariert und danach den entscheidenden Treffer selbst gesetzt.

Ronaldo hat 120 Minuten alles verballert, was ihm vor die Füße kam

Nächster Kandidat: Ricardo Quaresma. Der bunte Hund der Portugiesen, er muss als Schütze nach  Rui Patricios Rettungstat ran, legt einen sehr schrägen Anlauf hin und schmettert den Ball zum Siegtor ins Netz, die Nerven muss einer erst mal haben. Quaresma ist wieder mal später eingewechselt worden. Schon im Achtelfinale gegen Kroatien hat er als Joker  in der Verlängerung das Siegtor gemacht, das schreit  nach Heldenstatus.

Und, drittens: Cristiano Ronaldo. Wer 120 Minuten lang alles verballert, was ihm vor die Füße fällt und trotzdem die cojones hat, als erster Schütze anzutreten, und das auch noch vor der lauten polnischen Fankurve, der soll und darf einfach nicht unerwähnt bleiben.

Gerade 18 Jahre alt, gestern ein grandioses Tor

Es trifft dann keinen dieser drei würdigen Aspiranten. Portugals Held von Marseille ist einer, der zum ersten Mal bei dieser EM von Anfang an spielen darf, der gerade 18 Jahre alt ist und ein grandioses Tor zum zwischenzeitlichen Ausgleich in der regulären Spielzeit schießt. Der wie selbstverständlich als zweiter Elfmeterschütze nach Ronaldo antritt und dazu später nur sagt, einer musste nun mal sein. Portugals Held ist Renato Sanches.

Für 35 Mio. wechselt Sanches zu Bayern München

Mitternacht ist schon vorbei, da spaziert Renato Sanches in Badelatschen durch die Katakomben des Stade Vélodrom, er ist vergnügt und wirkt keinesfalls erschöpft. Es sind die ersten Minuten des 1. Juli, an dem sein Vertrag mit Bayern München in Kraft tritt. Der Mann  mit den Rastalocken ist viel besungen worden in den vergangen Wochen, nachdem bekannt wurde, dass er für die  Ablösesumme von 35 Millionen Euro von Benfica Lissabon zu den Bayern wechselt. Das ist viel Geld für einen 18-Jährigen und viel Druck, denn natürlich wird jede seiner Bewegungen bei der EM verfolgt und seziert und auf die berühmte Goldwaage gelegt. Ist er dieses Geld wirklich wert?

Es ist nicht ehrenrührig, an dieser Erwartungshaltung zu scheitern, aber mit Scheitern kennt Renato Sanches sich nicht aus. Er hat um die Chance in der Startelf gebeten, leise, aber bestimmt, doch in den drei Vorrundenspielen und um Achtelfinale bekam jeweils Andre Gomes den Vorzug. Sanches war nur Backup, aber schon gegen Kroatien initiierte er das Siegtor und wurde von der Uefa zu Man of the Match gewählt. Obwohl er doch eine knappe Stunde lang auf der Ersatzbank gesessen hatte.

Im Spiel ist es nicht Ronaldo, sondern Sanches, der nach vorn treibt

Gomes, ein sehr feiner Fußballer, fehlt verletzt gegen Polen, und jetzt kommt die Zeit des Renato Sanches. Er fängt im zentralen Mittelfeld an, driftet später nach rechts und ganz spät auch auf den heiligen linken Flügel des Cristiano Ronaldo. Es ist nicht Ronaldo, sondern Sanches, der nach dem früheren Rückstand durch seinen künftigen Münchner Kollegen Robert Lewandowski die Portugiesen nach vorn treibt. Und was ist das für ein großartiges Ausgleichstor, erzielt mit dem linken Fuß nach perfekter Ballannahme mit rechts. Ronaldo gratuliert auf dem Platz eher protokollarisch-unterkühlt, richtet aber später einen „herzlichen Glückwunsch“ aus, bei dem er dezent drauf hinwies, „dass es Renatos erstes Tor bei einer Europameisterschaft war“. Nach  den vielen, die Ronaldo selbst erzielt hat.

Sanches lächelt sanft. Wieder ist er und nicht Ronaldo zum Man oft he Match ernannt worden, und er erzählt auch gern, wie das später beim Elfmeterschießen war: „Cristiano hat gesagt, er schießt den ersten, dann hat der Mister gefragt, ob ich den zweiten übernehme, und ich habe das wie gemacht: eine Ecke ausgesucht und dann reingeschossen.“ Kurzer, verzögerter Anlauf, Polens Torhüter Lukasz Fabianski fliegt nach rechts, Sanches trifft oben links ins Dreieck.

Portugals Trainer Santos erinnert er an den jungen Coluna

Das gefällt dem Mister, so nennen sie in Portugal den Cheftrainer. Portugals Mister heißt Fernando Santos. Ein strenger Mann, aber weit nach Mitternacht  erzählt  er in einem schwärmerischen Anfall, Renato Sanches erinnere ihn an den jungen Mario Coluna, den Held der Sechziger, der dem großem Eusebio die Bälle auflegte. In Lissabon nannten sie Coluna  „o Monstro Sagrado“, das heilige Monster, und wer weiß schon, welchen Namen die Portugiesen mal für Renato Sanches ersinnen werden. „Renato hat gegen Polen ein exzellentes Spiel gemacht“, sagt Fernando Santos. „Er kann der Mannschaft viel geben. Er wird sich weiter entwickeln und mal ein fantastischer Spieler werden!“

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