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Zum Kopf-ins-Trikot-Stecken. Nadine Müller blieb im EM-Finale genau zehn Meter unter ihrer Weltjahresbestleistung. Foto: dpa

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Emanzipation vertagt: Nadine Müller wird im Diskuswerfen nur Achte

Nach Nadine Kleinert enttäuschte auch die Mitfavoritin Nadine Müller. Die deutschen Leichtathleten haben damit bei den Europameisterschaften in Barcelona einen Fehlstart hingelegt.

Nadine Müller sprang noch einmal in die Luft, die Knie angezogen. Das war bevor sie zu ihrem letzten Versuch in den Ring marschierte. Als sie wieder zu ihrer Bank ging, da winkte sie frustriert ab. Die letzte Chance war vergeben, der Versuch war ungültig, Nadine Müller, zum Diskuswurf-Finale der Leichtathletik-Europameisterschaften in Barcelona mit einer Bestleistung von 67,78 Metern angetreten, blieb Achte. Genau zehn Meter weniger als bei ihrem persönlichen Rekord war die Scheibe bei ihrem besten Versuch geflogen, mehr als 57,78 Meter brachte die 24-Jährige gestern Abend nicht zustande.

Sogar Sabine Rumpf lag noch vor ihr, die 27-Jährige aus dem Verein LSG Goldener Grund in Hessen. Rumpf wurde mit 58,89 Metern Siebte. Gold ging an die Kroatin Sandra Perkovic mit 64,67 Meter.

In Kurzform fasste Nadine Müller ihren Auftritt so zusammen: „Es lag an mir.“ In der längeren Version redete sie von dem böigen Wind, mit dem sie nicht klar kam, von den Beinen, die „nicht da waren“, von der „bescheidenen Technik, wenn sie denn überhaupt da war“. Sie hatte eine Medaille gewollt, alles andere wäre auch seltsam gewesen. „Wenn man Weltjahresbeste ist, dann ist dieses Ziel nicht zu hoch gegriffen.“ Innerlich hatte sie diesen Anspruch allerdings bald aufgegeben. Der erste Versuch endete bei 57,78 Metern, und es wurde nur noch schlechter.

Doch Nadine Müller kämpfte in Barcelona nicht bloß gegen ihre Rivalinnen und gegen die Witterungsbedingungen, sie kämpfte auch gegen eine Übergröße, die unsichtbar immer noch neben steht. Franka Dietzsch, die dreimalige Weltmeisterin, die Frau, die in den vergangenen Jahren das deutsche Diskuswerfen bestimmt hat. Nadine Müller stand immer in ihrem Schatten. Sichtbar so lange, bis die andere abtrat, bei der WM 2009. Noch bei den Deutschen Meisterschaften 2009 in Ulm galten die Gesetze des alten Rollenspiels. Nadine Müller gewann, aber die Traube der Journalisten scharte sich um die Zweite. Franka Dietzsch erklärte, warum sie trotzdem bei der WM starten wolle.

Im Mai schleuderte Nadine Müller den Diskus 67,78 Meter weit, sie setzte sich damit an die Spitze der Weltjahresbestenliste. Es war Triumph und Belastung zugleich. Sie hatte ihre persönliche Bestleistung um mehr als drei Meter übertroffen. Aber sie setzte damit auch Maßstäbe, gefährliche, erstmal irrationale Maßstäbe. Der Druck stieg, eine reflexartige Reaktion der Beobachter und Medien. Sie orientierte sich nur an der Zahl.

Aber Nadine Müller hatte in Wiesbaden geworfen, dort herrschen wegen des Windes traditionell gute Bedingungen für Diskuswerfer. Und sie hatte geworfen „wie in Trance“. Ihr erster Wurf endete bei 66,50 Meter, ein furioser Auftakt für sie. Und dann schleuderte sie die Scheibe noch zweimal über 67 Meter. „Ich habe in meiner eigenen Welt geworfen“, sagte sie.

Aber Wiesbaden zählt nicht viel. Sie muss bei großen Wettkämpfen glänzen, erst dann wird sie sich von Dietzsch emanzipieren. Sie weiß das. „Für dieWeite von Wiesbaden kann ich mir noch nichts kaufen, es war keine internationale Meisterschaft, keine WM, kein Olympia“, sagte sie. Barcelona, das war ihre Chance. Sie hat sie nicht genützt. Und Franka Dietzsch steht gefühlt immer noch in ihrer Nähe.

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