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Der alte Mann kann’s noch. Robert Harting feierte beim Istaf Indoor in Berlin ein emotionales Comeback.

© dpa

Emotionales Comeback nach 531 Tagen: Robert Harting siegt beim Istaf Indoor

Diskuswerfer Robert Harting macht es beim Istaf Indoor spannend. Erst im letzten Versuch setzt er sich an die Spitze und siegt vor seinem Bruder Christoph.

Manche Dinge können selbst 18 Monate Verletzungspause nicht zerstören. Robert Harting mag nach seinem Kreuzbandriss an Koordination und Kraft eingebüßt haben und sein fortgeschrittenes Alter an jedem Trainingstag schmerzhaft spüren – sein Gespür für den besonderen Moment und seine Nervenstärke hat er nicht verloren. 531 Tage hatte der 31-Jährige auf sein Comeback warten müssen, vor seinem Auftritt beim Istaf Indoor am Samstagabend hatte der Diskus-Olympiasieger offen über Selbstzweifel gesprochen. Fünf schwache Versuche lang sah es in der Arena am Ostbahnhof tatsächlich danach aus, als habe Harting noch einen langen Weg zu seiner alten Leistungsstärke vor sich.

Mit seiner letzten Chance allerdings meldete er sich eindrucksvoll zurück: Robert Harting schleuderte den Diskus auf 64,81 Meter und sicherte sich damit den Sieg vor seinem sechs Jahre jüngeren Bruder Christoph, der auf 64,34 Meter kam. „Es kann kein schöneres Comeback geben, auch wenn die ersten Versuche nicht so gut waren“, sagte Robert Harting. „Es war ein besonderes Erlebnis heute, das bleibt für immer in meinem Herzen.“ Er verzichtete zwar darauf, wie sonst nach großen Siegen sein Trikot zu zerfetzen. Nach seinem Siegeswurf fiel er aber auf die Knie und streckte beide Fäuste in Richtung Hallendecke, auch die Ehrenrunde schien er ganz besonders zu genießen.

Bereits vor dem abschließenden Diskuswerfen hatte das Meeting hochklassige Leichtathletik geboten. Star-Sprinterin Dafne Schippers unterbot die Weltjahresbestzeit über 60 Meter sowohl im Vorlauf als auch bei ihrem Sieg im Endlauf in 7,00 Sekunden. Den Sprint der Männer gewann Routinier Kim Collins in 6,53 Sekunden. Über 60 Meter Hürden setzte sich Vizeweltmeisterin Cindy Roleder souverän in 7,96 Sekunden durch, bei den Männern ging der Sieg an Dimitri Bascou in der Weltjahresbestzeit von 7,41 Sekunden.

Sportlicher Höhepunkt aus deutscher Sicht – neben Hartings Triumph – war der Weitsprung-Sieg von Alexandra Wester: Die 21-Jährige, vorher nahezu unbekannt, konnte ihre Weltjahresbestleistung von 6,95 Meter kaum fassen. So weit war seit Heike Drechsler 1996 keine Deutsche mehr gesprungen. Die Kölnerin verbesserte ihre persönliche Bestleistung drei Mal und genoss ihren Wettkampf und die Atmosphäre in der Arena in vollen Zügen. Der Stabhochsprung konnte hingegen nicht ganz das einlösen, was sich die Veranstalter erhofft hatten. Statt eines Zweikampfs zwischen Olympiasieger Renaud Lavillenie und dem deutschen Vizeweltmeister Raphael Holzdeppe – und eines möglichen Weltrekordversuchs des Franzosen – bekam das Publikum einen Überraschungssieg von Thiago Braz da Silva zu sehen. Der Brasilianer übersprang als einziger 5,93 Meter, Lavillenie (5,85) wurde vor Holzdeppe (5,77) Zweiter.

Die Krönung des Abends sollte dann Robert Harting liefern. Die Hallenregie gab alles, um den Berliner perfekt willkommen zu heißen: Flammenwerfer und hämmernde Beats aus den Boxen begrüßten den Lokalhelden und seine sechs Konkurrenten, auch Hartings alter Maskottchen- Kumpel Berlino hatte Aufstellung genommen. Dazu wurde ein Video-Zusammenschnitt eingespielt: Harting als Weltmeister, Harting als Olympiasieger, Harting als Sportler des Jahres – dann aber auch Harting im Krankenhaus, Harting im Eisbad, Harting im Kraftraum. Bei den ersten Versuchen war dem 31-Jährigen die lange Pause noch deutlich anzumerken. Immer wieder blickte er skeptisch auf die Wiederholung seiner Würfe auf dem Videowürfel, entdeckte offenbar gravierende Fehler in seinem Bewegungsablauf und ließ den Blick kopfschüttelnd wieder sinken.

Erst im sechsten und letzten Durchgang passte alles, unter dem Jubel des Publikums flog der Diskus zum Sieg. „Man sieht: Es ist alte Software, auf ein altes Gerät gebrannt“, sagte Robert Harting. „Es klappt trotzdem.“

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