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Sport: Energie Cottbus - Bayer Leverkusen: Lautsprecher leise gestellt

Es gab nur eine Szene, bei der Klaus Toppmöller nicht mehr an sich halten konnte. Wütend rannte der Trainer von Bayer Leverkusen auf den Rasen des Cottbuser Stadions der Freundschaft, fuchtelte mit den Händen herum und redete auf den Schiedsrichter Heribert Fandel ein.

Es gab nur eine Szene, bei der Klaus Toppmöller nicht mehr an sich halten konnte. Wütend rannte der Trainer von Bayer Leverkusen auf den Rasen des Cottbuser Stadions der Freundschaft, fuchtelte mit den Händen herum und redete auf den Schiedsrichter Heribert Fandel ein. Der aber griff unbeeindruckt in seine Brusttasche, zog die Gelbe Karte heraus, danach in seine Hosentasche, zur Roten Karte. Leverkusens Zoltan Sebescen musste nach zwei unnötigen Fouls vom Platz, die Leverkusener waren nur noch zu zehnt. Und es waren noch 72 Minuten zu spielen. Die Cottbuser Fans johlten, Sebescen saß auf dem Rasen und schüttelte den Kopf. Und Toppmöller? Er ging zurück auf seinen Platz und zündete sich eine Zigarette an. Jetzt war Ruhe gefragt.

Zum Thema Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Klaus Toppmöller ist derzeit der stille Star von Leverkusen. Mit souveräner Hand führt der 50-Jährige die Mannschaft von Sieg zu Sieg und baut sie so zum Geheimfavoriten der Liga auf. Das Team, dem vor der Saison noch die mentale Reife für die Meisterschaft abgesprochen worden war, ist seit 15 Pflichtspielen ungeschlagen. Der 3:2-Erfolg am Sonnabend in Cottbus war ein weiterer Beweis für die Moral. In Unterzahl konterte Bayer den Gegner aus und nutzte dessen Fehler. Ein Verdienst von Toppmöller. Er stellte die Mannschaft nach dem Seitenwechsel um, ließ vor Torwart Jörg Butt mit zwei Viererreihen verteidigen und Kirsten als einzige Spitze die Tore schießen. Toppmöller scheint auch die richtigen Worte für die Stars zu finden, die zuvor unter Christoph Daum die Meisterschaft verspielten und unter Berti Vogts unter ihren Möglichkeiten blieben. Toppmöller kann ohne Psychotricks à la Daum motivieren. In der Kabine gab er seinen Spielern nur eines mit: "Nehmt den Fight an; dann gewinnen wir."

Toppmöller ist ausgeglichener geworden, selbstsicherer. Bei Eintracht Frankfurt und beim VfL Bochum war er noch als Lautsprecher der Liga aufgefallen. Nun sitzt er mit übereinander geschlagenen Beinen auf seinem Holzstuhl vor der Trainerbank und fährt langsam mit der Hand an seiner Krawatte entlang. Der Schlips ist mit Büchern bedruckt, beim letzten Spiel gegen Freiburg waren es Klaviertasten. Toppmöller demonstriert gerne seinen Sinn für Kultur.

Natürlich hat er in Leverkusen auch gute Voraussetzungen. Einen Manager Reiner Calmund etwa, der den Journalisten ein paar nette Zitate mit auf den Weg gibt ("Heute hat bei uns der liebe Gott mitgespielt") und sie damit vom Trainer fernhält. Oder einen Stürmer Ulf Kirsten, der trotz seiner 35 Jahre noch immer hinter jedem Ball herrennt und in entscheidenden Situationen (sein verwandelter Elfmeter zum 3:2) Verantwortung übernimmt. Bei der Pflichtaufgabe in Cottbus präsentierte sich Bayer jedenfalls als professionelles Spitzenteam, das in Unterzahl klug agiert und in dem der mannschaftliche Zusammenhalt stimmt. So sehr, dass der verletzte Cottbuser Abwehrspieler Christian Beeck staunte: "Die haben so sensationelle Spieler, da können wir froh sein, dass die uns hier überhaupt besuchen."

Trotzdem, in Cottbus konnte nach dem aufregenden Fußball-Nachmittag vor 16 500 Zuschauern niemand glücklich sein. Die mühsam erkämpften und mit vielen ausgelassenen Großchancen teuer erkauften Ausgleichstreffer von Sebastian Helbig und Vilmos Sebök waren zu wenig. Wieder einmal hatten individuelle Fehler die kämpferische Leistung zunichte gemacht. "Immer diese blöden Gegentore", stöhnte Stürmer Helbig nach dem Schlusspfiff. Symptomatisch war der Aussetzer von Laurentiu-Aurelian Reghecampf, der in der 68. Minute im eigenen Strafraum den Ball gegen Diego Placente vertändelte und sich schließlich nur noch mit einem Foul zu helfen wusste. Ergebnis: Elfmeter, Gegentor, Punktverlust. "Wer so doof ist, gehört nicht in die Bundesliga", erregte sich Energie-Trainer Eduard Geyer noch eine Stunde nach dem Spiel. Sein Kollege Klaus Toppmöller saß schweigend neben ihm, schlürfte genüsslich eine Tasse Kaffee und sagte schließlich: "Meine Mannschaft hat eine tolle Moral gezeigt." Nach einem weiteren Schluck fügte er hinzu: "Nun zählt wieder die Champions League." Am Mittwoch wartet der FC Barcelona, um sich für die 1:2-Niederlage in der Leverkusener Bayarena zu revanchieren. Danach folgen weitere englische Wochen, bis Weihnachten. Gut, dass Toppmöller inzwischen die Ruhe weghat.

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