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Sport: Energie Cottbus: Der Bonus des Neuen

Früher hätte Eduard Geyer auf solche Fragen nicht geantwortet. Aber nun ist der Fußballklub Energie Cottbus ein Bundesligist und muss im "Saal Spreewald" eines Cottbuser Nobelhotels eine Pressekonferenz vor 40 Journalisten und sieben Kamerateams veranstalten.

Früher hätte Eduard Geyer auf solche Fragen nicht geantwortet. Aber nun ist der Fußballklub Energie Cottbus ein Bundesligist und muss im "Saal Spreewald" eines Cottbuser Nobelhotels eine Pressekonferenz vor 40 Journalisten und sieben Kamerateams veranstalten. Also wirft sich der Trainer des Aufsteigers in einen grauen Anzug und beschäftigt sich mit Fragen wie: "Warum tragen Sie eine Sonnenbrille, Herr Geyer, wollen Sie sich vor den Bundesliga-Schiedsrichtern verstecken?" Man muss vielleicht erklären, dass der Cottbuser Trainer dazu neigt, sich bei den Spielen seiner Mannschaft derart aufzuregen, dass ihn schon so mancher Schiedsrichter auf die Tribüne schickte. Dennoch lässt die seltsame Frage Eduard Geyer ein paar Sekunden sprachlos vor dem Mikrofon sitzen. Dann sagt er: "Ich trage eine Sonnenbrille, weil draußen die Sonne scheint."

Na also, was das Tragen von Sonnenbrillen betrifft, ist alles normal bei Energie Cottbus. Auch ansonsten will der Aufsteiger in die höchste deutsche Spielklasse das Image des Andersartigen loswerden. "Wir werden betrachtet wie eine Kuh mit drei Köpfen", wundert sich Eduard Geyer vor dem ersten Bundesligaspiel bei Werder Bremen. Der Klub will ein Bundesligist sein wie jeder andere - man liegt eben nur ein wenig östlicher als die anderen 17 Mitstreiter. Deshalb wunderte sich Eduard Geyer auch über die Resonanz, die seine Interviews ("Viele Spieler haben kein gutes Elternhaus kennen gelernt") und die Aussagen von Präsident Dieter Krein (beschimpfte die Bayern-Führung als "Sabbelköpfe") auslösten. Als Konsequenz aus dem ungewohnten Medienecho will Geyer nun "nicht mehr so oft in der Öffentlichkeit auftreten, das steht uns gut zu Gesicht". Auch Ronny Gersch staunt über die Anfragen der Medien. "Manche erwarten, dass wir das Problem des Rechtsradikalismus in Ostdeutschland lösen", sagt der Pressesprecher, "dabei spielen wir nur Fußball." Auf der Pressekonferenz von 1860 München würde auch niemand fragen, was der Verein gegen Rechtsradikalismus tue.

Doch Energie Cottbus kann nicht einfach ein Fußballklub sein wie jeder andere. Die gegenwärtige Popularität des Klubs gründet sich zweifelsohne auf seiner Ost-Identität. Im Westen gibt es keinen Fanklub, im Osten dafür umso mehr. Energie bekommt Dauerkartenbestellungen aus Leipzig oder Halle. Der Verein rechnet mit einem Zuschauerschnitt von 16 000, darunter rund 11 000 Dauerkarten-Besitzer. Es herrscht Euphorie in der Region. Umso mehr wundert sich Geyer, wenn Journalisten aus Cottbus nicht das berichten, was er sich wünscht: "Die, die Ostdeutsche sind, die dürften uns eigentlich am wenigsten mit Dreck bewerfen."

Energie Cottbus hat, was Fußball betrifft, ein wenig den Alleinvertretungsanspruch der Ostdeutschen übernommen. Schließlich gilt Hansa Rostock, der andere Verein aus den neuen Bundesländern, als etabliert. Cottbus hat den Bonus des Neuen, des Unbekannten. Auch, was das Personal betrifft. Geyer versammelt Spieler aus 13 Nationen um sich, was er auch als Zeichen gegen die Ausländerfeindlichkeit werten will. "Wenn wir hier so denken würden, hätten wir nicht unsere Multi-Kulti-Truppe." Er vergisst allerdings auch nicht den Hinweis, dass man sich im Ausland Regeln zu unterwerfen habe. Für klare Anweisungen ist in Cottbus der Trainer verantwortlich, den eine Boulevardzeitung wegen seiner harten Methoden nur noch "Geyer Gnadenlos" nennt. Aus dem Trainingslager kehrte er mit einer längeren Verletztenliste zurück. Ob es nicht Tage gebe, an denen er bereue, zu hart mit seinen Akteuren umgegangen zu sein, wurde Geyer abschließend gefragt. "Ja, aber umgekehrt", sagt der Trainer, "manchmal denke ich, ich war zu weich."

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